Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
sollen, wenn man nach einer Vier-Stunden-Nacht Augenringe bis zur Kaiserschnittnarbe hat und ein Hirn, das programmiert ist auf reduzierte primitive Satzkonstruktionen wie: «Hat das Baby ein kleines Kackikacki gemacht?»
Zwei Dinge sind unerlässlich bei geschäftlichen Terminen einer den Wiedereinstieg planenden Mutter: ein Handy mit Vibrationsalarm und ein sehr gut deckendes Make-up.
Vorbei die Zeit, in der man mit einer leicht getönten Tagescreme das Haus verlassen konnte, ohne von wildfremden Menschen gefragt zu werden, ob man sich nicht lieber einen Moment hinsetzen möchte.
Für die ganz harten Tage habe ich mir jetzt ein Hammerzeug aus der Apotheke besorgt, mit dem man üblicherweise Narben abdeckt. Ich sehe dann zwar aus wie Dolly Buster – im Gesicht natürlich nur –, aber kein Augenring mehr weit und breit.
Den Vibrationsalarm braucht man natürlich, um dezent erreichbar zu sein für den Babysitter, die Oma, den Vater oder wer auch sonst sich bereit erklärt hat, das Kind zu hüten. Wenn mein Handy vibriert, fahre ich allerdings mittlerweile genauso erschrocken zusammen, als würde ein Silvesterböller direkt neben meinem Ohr losgehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine Höchstleitung ist, gleichzeitig ein Kind zu haben und eine Karriere zu machen. Es ist nämlich schon eine Höchstleistung, ein Kind zu haben und keine Karriere zu machen beziehungsweise kein Kind zu haben und eine Karriere zu machen.
Ich habe eine helfende Oma, einen sehr präsenten Kindsvater, einen geradezu überengagierten Patenonkel und demnächst einen Krippenplatz. Trotzdem schreibe ich diese Zeilen im Schlafanzug, über den ich mir recht modebewusst eine Trainingsjacke gezogen habe. Mein Haar verströmt einen eigenwilligen säuerlichen Geruch, weil mein Sohn sein gehaltvolles Bäuerchen heute Morgen mitten in den Schopf gemacht hat.
Es ist zwölf Uhr mittags, und in einer Stunde habe ich einen wichtigen Termin mit der «Brigitte»-Chefredaktion.
«Du darfst nicht alles perfekt machen wollen», hat mir Johanna geraten.
Nun ja, das war ehrlich gesagt zum Glück noch nie mein Problem. Hätte ich auch nur einen Hauch von Hang zum Perfektionismus, dann hätte ich eine Frisur auf dem Kopf statt einfach nur Haare. Dann würde ich auch nicht in fünfzig Prozent der Klamotten aus meinem Kleiderschrank nicht mehr reinpassen – und zwar ausgerechnet in die hochwertige Hälfte mit den hautengen Lederhosen, den auf Figur geschnittenen Designerkleidern und den kniehohen Stiefeln von Yves Saint Laurent, aus denen meine schweren Waden mittlerweile oben rausquellen wie zerplatzte Weißwürstchen.
Wollte ich perfekt sein, dann würde ich termingerecht Weihnachtskarten auf Büttenpapier verschicken und mich für Einladungen am darauffolgenden Tag mit einem kleinen Blumengruß bedanken.
Wollte ich perfekt sein, dann würde ich das Kochen gänzlich meinem Mann überlassen, den Tisch für unsere Gäste nicht mit mindestens zwei unterschiedlichen Servicen decken, und der Nachtisch bestünde nicht aus vier Tafeln «Ritter Sport»-Schokolade und zwei Packungen Toffifee, kredenzt in den jeweiligen Originalverpackungen.
Wollte ich perfekt sein, dann würde ich unsere Gartenmöbel im Winter mit Gartenmöbelabdeckplanen abdecken, und im Frühjahr würde ich die Tischplatte anschleifen und ölen.
Wollte ich perfekt sein, dann würde ich Sachen sagen wie Anja, die eine vierjährige Tochter hat und mir neulich erklärte: «Ich habe nur ein Kind, weil ich weiß, dass ich ab zwei Kindern meinen hohen Ansprüchen an mich und an meine Vorstellung von Perfektion nicht mehr gerecht werden könnte.»
Da hab ich trocken geschluckt und mich im Stillen dazu beglückwünscht, dass ich so niedrige Ansprüche an mich habe und dass meine Vorstellung von Perfektion das Gegenteil von Perfektion ist.
Man darf sich bloß nicht verrückt machen lassen von denen, die ums Verrecken alles richtig machen wollen.
Als ich in der letzten PEKiP-Stunde erzählte, in welche Kita mein Sohn ab nächsten Monat gehen wird, rümpfte Bettina neben mir gut sichtbar die Nase. Sie wolle mich ja nicht verunsichern, aber gerade mit dieser Einrichtung habe eine Freundin von ihr sehr schlechte Erfahrungen gemacht.
Ich natürlich in höchster Alarmbereitschaft! Denke an Schwermetalle im Essen, unsichere Klettergerüste, brutale Erziehungsmethoden bis hin zum Eckestehen oder Poversohlen. «Was ist denn geschehen?», fragte ich also bereits extrem verunsichert.
«Der
Weitere Kostenlose Bücher