Unter dem Schwertmond
Vor ihnen ragten die drei seltsam geformten Felsen hoch. Tatsächlich sahen sie aus wie ins Riesige vergrößerte Finger voller Geschwüre. Von den Arvenbäumen dahinter kam ein kühler, wohlriechender Hauch. Wasser blinkte zwischen den knarrenden und raschelnden Schäften der Bäume. Luxon hob sich im Sattel, drehte sich herum und schrie: »Zuerst wird das Wasser wieder aufgefüllt, dann trinken alle, und zuletzt erst werden wir uns waschen. Stellt Wachen rund um die Oase auf!«
»Verstanden!« kam es von hinten.
Kalathee fasste Luxon am Arm und sagte nachdrücklich: »Was hast du mit der Prinzessin vor?«
»Nicht das geringste!« gab er zurück und lachte breit. In seinem braungebrannten Gesicht blitzten die Zähne. »Sie ist im Moment ein Pfand, nichts mehr. Eifersüchtig?«
Mit unverkennbar drohendem Unterton und funkelnden Augen antwortete seine Geliebte: »Noch nicht. Ich hoffe, ich habe keinen Grund dazu!«
Luxon lachte noch immer und deutete auf die Diromen, die langsam daherkamen. Auf seiner Bahre, festgeschnallt, schwankte Shakar unter den Leinensegeln und neben dem Gepäck.
»Sicher nicht, Geliebte«, sagte Luxon. »Ich kümmere mich um meine Waffen und um Shakars Wohlergehen.«
»Das Ziel der Reise wird er, denke ich«, sagte Socorra leidenschaftslos, »sicher nicht erleben.«
Luxon zuckte die Schultern und spornte sein Pferd. Im Zickzack ritt er zwischen den riesigen Vögeln und seinen anderen Männern hindurch. Er hielt wieder neben Shakar an und nahm den Helm vom Kopf. Der Lenker des Diromos empfing den Helm und legte ihn in eine leere Kiste. Der Bogen und der Köcher folgten. Das Amulett trug Luxon stets unter seinem Wams, jetzt schnallte er Alton ab und reichte es nach oben. Mit müden, halb geschlossenen Augen sah ihm Shakar dabei zu.
Als der Sonnenschild unter den Mänteln und Decken verschwand, zwischen denen bereits das Orakelleder zusammengerollt lag, sagte Luxon: »Lasse die seitlichen Vorhänge herunter. Befestige die Schnallen. Der Anführer soll Shakar nicht sehen.«
»Sofort, Herr Luxon«, bestätigte der gemietete Treiber.
Der äußere Kampf, der hier getobt hatte, war nichts anderes als der blutige Ausdruck des inneren Kampfes oder vieler lautloser Kämpfe, die in den Männern tobten und sich einem Ausbruch entgegenstauten. Luxon selbst versuchte, diese Lösung zu vermeiden, indem er seine Gedanken auf das erste wirklich große Ziel in seinem wechselvollen Leben richtete. Alles, was er auf dem Weg zu diesem Ziel erlebte, zählte nicht wirklich. Er würde die Dinge ebenso wie die Menschen behandeln; er musste auf alle Fälle derjenige sein, der letzten Endes übrigblieb. Unter diesen Vorzeichen betrachtete er auch den schnellen Sieg über die Wegelagerer und das Problem, das die Anwesenheit der Prinzessin und ihres Anführers darstellte.
Luxon sprang aus dem Sattel, winkte Shakar mit den Augen zu, ehe sich die Vorhänge schlossen. Dann nahm er den Hengst kurz am Zügel und führte ihn unter den hochgereckten Steinfragmenten zum Wasser.
»Immerhin!« sagte er sich leise und kontrollierte mit schnellen, scharfen Blicken die Arbeiten seiner Männer. »Immerhin kenne ich einen Mann, der mich töten sollte.«
Zum zweitenmal hatte er heute Mythors Waffen angelegt, als er den aufwallenden Staub und den Kampf bemerkte. Er musste sich selbst gegenüber zugeben, dass ihn eine starke Scheu davon abhielt, die Waffen des Lichtboten selbst zu benutzen. In seinen Händen waren sie so gut wie in der Faust Mythors, aber Luxon ahnte, dass ihre Kraft nachließ oder dass sie versagten, wenn er das Schicksal mit ihnen allzu sehr herausforderte. Missmutig registrierte er, dass er scheinbar so etwas wie geheime Furcht empfand, den Sternenbogen zu ergreifen oder die Klinge zu schwingen, die sich in die Finger schmiegte und jedes andere Schwert zerschmetterte.
»Trotz allem…«, sagte er und schlug einen seiner Vertrauten auf die Schulter. Der Mann zuckte zusammen, fuhr herum und grinste dann erleichtert. »… geht die Reise weiter! Und nun zur Prinzessin!«
Er warf dem Krieger die Zügel zu, bückte sich am Rand des kleinen Teiches und säuberte Gesicht und Arme. Er trank einen Schluck wunderbar frisches und kühles Wasser, das ihm Kalathee reichte. Die Vorräte der Karawane wurden ergänzt, während einige Männer mit gezückten Schwertern um die Oase herumritten. Die Spitze des Zuges formierte sich bereits wieder.
Luxon winkte Samed heran. »Setz dich neben Shakar auf das Diromo. Lies ihm
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