Unter dem Vampirmond 02 - Verfuehrung
«
» Du meinst, er würde mich beißen? « Ich schüttelte ungläubig den Kopf. » Er hat sich doch noch gar nicht ganz verwandelt. Er ist gerade erst aufgewacht. «
» Er trinkt bereits, Alice. «
Ein Druck legte sich auf meine Brust, und in meinem Kopf drehte sich alles. Ich hatte angenommen, dass mir viel mehr Zeit blieb. Mir war zwar nicht klar, was ich mit dieser Zeit hätte anfangen wollen, aber ich hatte einfach gehofft, dass er noch länger ein Mensch war. Dabei trank er bereits Blut, weniger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er Jack gebissen hatte. Er war jetzt Milo, der Vampir, und er würde mich umbringen, wenn ich ihm zu nahe kam.
» Es wird besser, das verspreche ich. « Ezra nahm meine Hand, um mich zu trösten. » In unserer Nähe bist du sicher, und das wird auch mit Milo so sein. Es braucht nur ein wenig Zeit, bis er die Sache im Griff hat. Bei dem Tempo, das er vorlegt, dürfte das nicht lange dauern. «
» Also … « Mein Mund war trocken, und ich musste erst einmal schlucken. » Muss ich nach Hause gehen? «
» Nein, natürlich nicht. Das würden wir nie von dir verlangen. Milo ist sowieso noch ziemlich lahmgelegt. In den nächsten ein, zwei Tagen wird er sein Zimmer wohl nicht verlassen. Danach dürfte er alles unter Kontrolle haben. « Er lächelte beruhigend.
» Na super « , sagte ich trocken.
» Ich weiß, die Situation ist nicht gerade prickelnd, aber er wird leben, Alice. Und es wird ihm besser gehen als zuvor. Du musst dir um Milo keine Sorgen mehr machen. «
» Ich weiß, ich weiß. « Ich schloss die Augen und ließ die Informationen sacken.
Ich hätte dankbar sein müssen. Immerhin hatten sie Milo das Leben gerettet und ihm zu einer fantastischen Gabe verholfen. Trotzdem konnte ich es nicht recht würdigen. Wenn ich mir vorstellte, dass mein kleiner Bruder Blut trank und sich in etwas verwandelt hatte, das mir womöglich an die Gurgel ging, kam mir das alles eher vor wie ein Fluch.
» Hat er etwas gesagt? « , fragte ich.
Ezra schüttelte den Kopf » Nichts Zusammenhängendes. Er ist noch nicht ganz bei Bewusstsein. «
» Du hast doch gesagt, dass er aufgewacht ist und etwas zu sich nimmt? « Ich war verwirrt.
» Ja, aber er ist … « Er zögerte und suchte nach den richtigen Worten. » … in einer Art Delirium. Er ist noch nicht völlig bei sich. Er wird im Moment nur von seinen Instinkten gesteuert. «
» Hat er nach mir gefragt? «
» Er hat noch überhaupt nichts gesagt. Er murmelt nur etwas von Schmerzen und Hunger « , erwiderte Ezra. » Mae kümmert sich darum, dass er von beidem möglichst wenig hat. «
» Und … was geschieht dann? « , fragte ich. » Wenn er sich verwandelt hat? «
» Lassen wir ihn das erst einmal durchstehen. Dann sehen wir weiter « , erwiderte Ezra ausweichend.
» Warum? Wie meinst du das? «
» Man kann das nicht so pauschal sagen. Wir müssen genau beobachten, wie Milo auf alles reagiert, ehe wir wissen, wie es weitergeht. Bislang verwandelt er sich anders als alle, die ich bisher erlebt habe « , sagte Ezra vorsichtig.
» Ich dachte, du weißt alles « , sagte ich zunehmend frustriert.
» Ich kann deine Ungeduld verstehen, aber mehr kann ich dir wirklich nicht sagen « , erwiderte Ezra mit einem traurigen Lächeln.
In diesem Moment polterte Jack die Treppe herunter. Ich vermutete fast, dass er auf meinen beschleunigten Herzschlag reagierte. Er nahm ihn genau wahr und spürte sofort, wenn ich mich aufregte. Dank dieser direkten Verbindung zu meinem Herzen kannte er meine Gefühle fast besser als ich selbst.
» Probleme? « , fragte Jack mit aufgesetzter Fröhlichkeit. Er versteckte seine Unruhe hinter einem überbreiten Lächeln.
» Was glaubst du denn? « Ich starrte ihn düster an
» Na ja, ich habe gerade nach deinem Bruder gesehen. « Meine schlechte Laune ignorierend versuchte er es stattdessen mit einer tröstlichen Information. » Er schläft wieder, aber er macht sich wirklich gut. Ich glaube, du wirst zufrieden sein, wenn du ihn siehst. «
Seine Wortwahl fand ich etwas befremdlich. » Er ist doch kein baufälliges Haus, das du renovierst « , tadelte ich ihn, obwohl der Vergleich gar nicht so weit hergeholt war.
» Tut mir leid. « Jack sah mich verlegen an. » Mae hat mich geschickt. Ich soll dir etwas zu essen machen. «
» Ich habe aber keinen Hunger. « In Stresssituationen verging mir immer der Appetit. Allerdings erinnerte mich mein Magen bereits lautstark daran, dass ich lange nichts mehr gegessen
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