Unter dem Vampirmond 02 - Verfuehrung
mir nun nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, dass es noch unglaublich viel gab, das ich nicht wusste.
» Es ist nur, dass es diesmal etwas Persönliches ist « , half mir Ezra weiter. » Vorher waren wir so etwas wie eine Kuriosität für dich oder auch eine Chance. «
» Nein, nein! « , unterbrach ich ihn heftig. » Ihr seid keine skurrilen Freaks für mich. «
» Nein, das weiß ich schon. Ich habe meine Worte nicht besonders sorgfältig gewählt « , beruhigte mich Ezra. » Ich weiß, wie viel du dir aus uns machst. Aber … du kennst uns nur so, wie wir sind, und da war es nicht so wichtig, ob du alles über uns weißt « , fuhr er fort. » Du hast gesehen, dass es uns gut geht. Aber nun, da es Milo getroffen hat, willst du mehr über uns erfahren. «
» Ja. « Ich nickte. » Und? «
» Und … du möchtest, dass ich dir alles erzähle « , erwiderte er mit einem traurigen Lächeln.
» Ja, sozusagen. «
» Dann habe ich schlechte Nachrichten « , sagte er seufzend. » Es gibt nicht so viel zu erzählen. «
» Wie bitte? « Meine Stimme zitterte ungläubig. » Willst du mir weismachen, dass das bisschen, das du mir in den letzten Monaten häppchenweise serviert hast, die gesamte Geschichte eurer Spezies war? «
» Nein, natürlich nicht. « Er lachte. » Wir haben eine lange Geschichte, und das Buch, das du in der Hand hältst, ist eine hervorragende Quelle. Aber es ist eher ein Geschichtsbuch. Dich würde wahrscheinlich ein Biologiebuch mehr interessieren. «
» Gibt es denn eins? « , fragte ich hoffnungsvoll.
» Es gibt sogar mehrere. Peter besitzt ein paar, da bin ich mir sicher. Aber mit der Biologie der Vampire ist es gar nicht so einfach. Man kann zum Beispiel bei Vampiren keine Autopsie durchführen. Wenn ein Vampir getötet wird, so wird auch sein Inneres zerstört, sodass es unmöglich ist, ihn zu sezieren und zu untersuchen, inwieweit er sich von einem Menschen unterscheidet. Aber das ist nur die eine Seite des Problems. «
» Und was ist die andere? «
» Hast du schon mal von dem Rätsel der Hummeln gehört? « Ezra lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Pfosten von Peters Himmelbett und überkreuzte die Beine.
» Was meinst du? « Ich schüttelte den Kopf, verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel.
» Einer Aerodynamikstudie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zufolge kann die Hummel auf keinen Fall fliegen « , erklärte Ezra. » Die Flügel sind viel zu klein und die Schlagfrequenz viel zu gering, um das Gewicht des Körpers zu tragen. «
» Wie? « Ich legte die Stirn in Falten. Das sollte wohl ein Quiz sein. » Also … was hat das zu bedeuten? Wie kommen sie dann vom Fleck? «
» Sie fliegen natürlich « , erwiderte er lächelnd.
» Aber du hast doch gerade gesagt … « Ich seufzte und schüttelte den Kopf. » Was hat das mit der Biologie der Vampire zu tun? «
» Nichts. « Ezra zuckte mit den Schultern. » Den Hummelflug gibt es, obwohl die Wissenschaft das Gegenteil bewiesen hat, und dasselbe gilt für uns Vampire. Viel später haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass sie die Flügel falsch berechnet haben, und das Geheimnis des Hummelflugs doch noch gelöst. Unserem Geheimnis muss die Wissenschaft leider erst noch auf die Spur kommen « , ergänzte Ezra und sah mich zerknirscht an.
» Willst du damit sagen, dass niemand meine Fragen beantworten kann? « , fragte ich.
» Ja und nein. « Er stand auf. » Manche Antworten findest du in den Büchern, aber bei Weitem nicht alle. Lies Peters Bücher. Vielleicht findest du etwas, das dir weiterhilft. «
» Danke « , sagte ich.
Ezra nickte mir zu und ging. Ich seufzte und horchte auf seine sich entfernenden Schritte, doch alles, was ich hörte, war die Musik, die plötzlich aus Milos Zimmer herüberklang. Es war Mozart.
Ich machte es mir wieder gemütlich und las an der Stelle weiter, an der ich aufgehört hatte. Doch ich fand in der verblassten alten Schrift wenig von dem, was ich suchte – genau, wie Ezra es prophezeit hatte.
Interessant war allerdings die Geschichte des namenlosen Autors und seiner Verwandlung in einen Vampir. Er beschrieb den Vorgang als qualvoll, letztlich jedoch als kurz und schwer in Worte zu fassen. Er erinnerte sich nur an die Schmerzen und einen unstillbaren Durst.
Neu war für mich, dass sich einige Vampire weiter verwandelten als andere. Während sich die meisten noch als Menschen betrachteten, verloren andere jeglichen Bezug zu ihrer einstigen Daseinsform. Der Autor beschrieb
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