Unter dem Vampirmond 02 - Verfuehrung
gewichen war. Niemals, nicht einmal bei Jacks magischem Kuss, hatte ich so etwas Fantastisches erlebt.
Eines war mir mittlerweile klar: Hätte Peter mir angeboten, mir im Austausch gegen seinen Biss den Tod zu schenken, wäre ich bereitwillig auf den Handel eingegangen. Meine Gefühle für ihn hatten etwas Selbstzerstörerisches an sich.
Bewundernd sah ich mich in Peters Zimmer um. Die Möbel waren überwiegend antik, entweder aus Naturholz oder weiß lackiert. Da sein Bett so betörend nach ihm duftete, hielt ich mich von den weißen Laken lieber fern.
Im Regal standen Bücher aus allen möglichen Epochen. Ich fuhr mit den Fingern über die zerschlissenen Einbände, als mir etwas ins Auge fiel, das mir vollends den Atem raubte.
Peter besaß eine eigene Abteilung mit Vampirbüchern! Damit meine ich nicht Romane wie Dracula von Bram Stroker oder Chronik der Vampire von Anne Rice. Peters Bücher trugen Titel wie Ein Vampirwörterbuch oder Eine kurze Geschichte der Vampire.
Letzteres zog ich aus dem Regal und öffnete vorsichtig den Einband. Von den vergilbten Seiten stieg ein modriger Geruch auf, der einen Niesreiz in mir weckte.
Ich setzte mich in den Sessel, der neben dem Regal stand, und blätterte in dem Buch. Es gab kein Inhaltsverzeichnis, aber eine Seite schien auch zu fehlen. Das Buch begann mit einem Vorwort:
Ich bin weder der Älteste meiner Art, noch behaupte ich, ein Fachmann zu sein. Doch in den vielen Jahren meiner Existenz habe ich bis auf fragwürdige Folklore kaum etwas Vertrauenswürdiges zum Thema Vampire gefunden.
Um die Mythologie ins Reich der Märchen zu verbannen und jenen, die soeben verwandelt wurden, eine Anleitung an die Hand zu geben, habe ich beschlossen, dieses Buch zu schreiben. Es ist keinesfalls als » Bibel « zu verstehen, sondern vielmehr, wie der Titel schon sagt, eine kurze Geschichte der Vampire, soweit ich sie erzählen kann.
Meine Finger begannen derart zu zittern, dass ich fürchtete, die dünnen Seiten zu zerreißen. Dass es überhaupt so etwas wie eine Geschichte der Vampire gab, beunruhigte mich bereits. Bis dahin hatte ich nur Jack und seine Familie kennengelernt, und die hatte ich nicht als sonderlich furchterregend erlebt. Doch der Gedanke an Vampire als solche, an eine eigene Spezies, die sich seit Jahrtausenden vom Blut anderer Lebewesen ernährte, jagte mir kalte Schauer über den Rücken.
Das erste Kapitel war schlicht überschrieben mit Am Anfang:
Am ungewöhnlichsten an den Vampiren ist vielleicht der Umstand, dass wir zwar mit den Menschen vieles gemein haben, jedoch keine eigene Schöpfungsgeschichte aufweisen können. Einige Vampire klammern sich noch an die Religion der Menschen. Andere verwerfen sie und führen uns als Beweis dafür an, dass Gott nicht existiert.
Meine Erkenntnisse sind durchaus nicht sensationell. Uns verbindet weder eine direkte Linie mit Gott noch mit dem Teufel. Wir sind dem Sinn des Lebens nicht näher als die Menschen.
Vampire gibt es, soweit sich ihre Geschichte zurückverfolgen lässt, nicht so lange wie die Menschen. Über den ersten Vampir konnte ich nichts in Erfahrung bringen. Zumindest bin ich nie einem Vampir begegnet, der für sich in Anspruch nahm, der erste zu sein oder diesen zu kennen.
Das erste dokumentierte Auftreten eines Vampirs geschah zu Pestzeiten, was mich zu dem Glauben verleitet, dass wir selbst eine Art Pest sind.
» Wie ich sehe, hast du eine Lektüre gefunden « , unterbrach mich Ezra. Ich erschrak dermaßen, dass ich von meinem Sessel aufsprang und das Buch fallen ließ.
» Ich … ich … war nur neugierig « , stammelte ich. Meine Wangen glühten vor Scham.
» Neugier ist nichts Verwerfliches. « Ezra wischte meine Entschuldigung mit einer Handbewegung beiseite. Er hob das Buch vom Boden auf und reichte es mir. Ich zögerte einen Moment, denn ich war mir nicht sicher, was Ezra vorhatte. Aber Ezra gehörte nicht zu denen, die mit anderen ihre Spielchen treiben.
» Ich weiß nicht besonders viel von euch. « Ich nahm ihm das Buch ab und senkte den Blick.
» Haben wir dich nicht ausreichend mit Informationen versorgt? « Ezra zog eine Augenbraue hoch. Ich war mir nicht ganz sicher, ob die Geste Skepsis oder Strenge signalisierte.
» Nein, das ist es nicht « , verbesserte ich mich rasch. » Es ist nur … «
Ja, was war es eigentlich genau? Sie waren mir gegenüber unglaublich offen gewesen. Wenn ich Fragen gehabt hatte, dann hatte Jack sie nach bestem Wissen beantwortet. Doch das reichte
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