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Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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nahm das Bein, das vom Tisch abgebrochen worden war. Es war aus massiver Eiche. Mein Vater hatte den Tisch in seiner Werkstatt im Basement in Dearborn gemacht, hatte die Beine von Hand an seiner Drehbank gedrechselt und das ganze Möbel gefertigt, ohne einen Nagel zu verwenden. Irgendwo mußte ich noch zwei seiner alten Schraubzwingen haben, fiel mir ein. Wenn ich sie finden könnte, würde ich das Bein wieder anleimen.
    Ich spürte das Gewicht des Tischbeins in meinen Händen, als ich es unwillkürlich wie einen Baseballschläger gepackt hatte. Ich versuchte es entsprechend zu schwingen. Es schmerzte höllisch. Du bist schon ein merkwürdiges Exemplar, Alex. Früher hast du jeden Ball getroffen, den du erreichen konntest. Heute tut es dir schon weh, wenn du ein beschissenes Tischbein durch die Luft schwingst.
    Moment.
    Ich starrte auf das Tischbein in meiner Hand. In Gedanken war ich wieder in genau dieser Hütte an dem Morgen, an dem alles angefangen hatte, dem Morgen, an dem ich Dorothy abholen wollte und niemanden vorfand.
    Niemanden, nur Stühle, die überall verstreut auf dem Boden lagen. Ein umgeworfener Tisch. Ein Bein war abgebrochen. Und die schwachen Spuren von Schnee, der auf dem Boden geschmolzen war.
    In der Nacht waren sie zu ihr gekommen. Sie hatten an die Türe geklopft. Sie hatte Angst. Sie hatte gedacht, es sei Bruckman. Oder Molinovs Leute. Oder Molinov persönlich.
    Sie geriet in Panik. Sie suchte nach etwas, womit sie sich verteidigen konnte. Sie öffnete alle Schubladen und fand nichts außer Plastikbesteck. Sie warf einen Stuhl um.
    Und dann stürzte sie den Tisch um und brach ein Bein ab. Sie war stark genug dafür, wenn sie sich der Hebelkraft bediente. Schließlich hielt den ganzen Tisch nur Tischlerleim zusammen, der in vielen Jahren kalter Luft mürbe geworden war.
    Sie hielt das Bein hoch und wartete darauf, daß die Tür eingetreten wurde. Ich konnte förmlich sehen, wie sie da stand, stoßweise atmend, bereit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
    Und dann riefen sie sie. Stimmen aus ihrer Vergangenheit, die sie bei ihrem Ojibwa-Namen riefen.
    Sie ließ das Tischbein fallen und öffnete die Tür. Komm mit uns, sagten sie. Wir bringen dich hier weg.
    Sie muß darauf bestanden haben, mich zu benachrichtigen, daß sie ginge. Das mußte ich einfach annehmen.
    Nein, sagten sie. Wir haben keine Zeit. Wir müssen hier weg.
    Vielleicht hatten sie ihr gesagt, sie könne mich später anrufen. Vielleicht hatten sie versucht, sie davon zu überzeugen, daß man mir nichts sagen dürfe , weil man mir nicht vertrauen könne.
    Vielleicht hatte man sie aber auch auf der Stelle einfach gepackt und fortgeschafft.
    Wie auch immer die Sache vor sich gegangen war, sie hatte den Beutel nicht bei sich gehabt, als sie gegangen war.
    Der geschmolzene Schnee auf dem Boden. Der stammte von ihr. Nachdem ich sie verlassen hatte, war sie noch einmal nach draußen gegangen und war dann wieder hereingekommen.
    Was ihre Botschaft erklärte. Die eingefrorenen Rohre.
    Ich legte das Tischbein hin, ging nach draußen zum Wagen, holte die Taschenlampe aus dem Führerhaus und eine Schaufel von der Ladefläche.
    Ich ging auf die Rückseite der Hütte und grub mich durch den Schnee. Ich hatte das in der Nacht, in der ich Dorothy hierher gebracht hatte, schon einmal gemacht. Ich war unter die Hütte gekrochen, hatte das Wasser angestellt und sie gebeten, den Hahn die Nacht über tropfen zu lassen, damit die Leitung nicht einfröre.
    Als die Deputies das Haus durchsucht hatten, überlegte ich mir, hatten sie sich nicht wirklich Mühe gegeben. An das, was unter dem Haus sein konnte, hatten sie nicht gedacht.
    Ich schaufelte die kleine Tür völlig frei. Als die Deputies ihre Suche begonnen hatten, war genügend Neuschnee gefallen, um alles wieder zuzudecken.
    Ich kroch unter die Hütte und knipste die Taschenlampe an. Da in der Ecke war er. Ich kroch rückwärts und zog den Beutel mit mir. Als ich wieder im Freien war, blieb ich auf den Knien und öffnete den Reißverschluß.
    Weißes Pulver, in durchsichtigen Tütchen, und das Pulver glitzerte im Strahl der Taschenlampe.
    »Das also ist ›Wild Cat‹«, sagte ich. »Den ganzen weiten Weg von Rußland hierhergeschleppt.«
    Ich verschloß den Beutel wieder und brachte ihn zu meinem Wagen. Ich mußte wieder nach drinnen, direkt neben den warmen Ofen. Ein steifer Drink wäre auch kein Fehler.
    Und dann mußte ich mir überlegen, was zum Teufel jetzt zu tun war.

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