Unter Den Augen Tzulans
tarpolischen Stadtoberhaupt oder einem Ratsmitglied erwartet hätte. Das borasgotanische Mädchen und der Walfänger folgten. Schweigend hockten sie sich auf die Stühle und warteten.
Es dauerte nicht lange und Kalfaffel, der Bürgermeister Bardhasdrondas, erschien. Auch er war Cerêler, sein kleiner Körper steckte in wärmenden Fellgewändern, Matucs Rock nicht unähnlich. Die Neugier stand dem Heiler ins Gesicht geschrieben.
»Aha«, machte er sofort. »Ulldarter, wenn ich mich nicht sehr täusche.« Er reichte jedem die Hand, Blafjoll verneigte sich wieder, diesmal noch ehrfürchtiger und ergebener. »Dann erzählt mir eure Geschichte.« Er steckte sich eine Pfeife an, seine Frau reichte ein heißes Getränk aus einer abenteuerlich anmutenden Kanne.
Das, was bei dem Mönch in der Tasse schwamm, roch süß und stark zugleich. Vorsichtig nippte er, und seine Augen wurden groß.
»Es ist ein Aufguss aus meinen selbst angebauten Kräutern«, erklärte Kalfaffel. »Sie wirken belebend auf ermüdete Körper. Und auf den Geist, natürlich.«
Matuc kostete ein zweites Mal und spürte, wie sich der intensive Geschmack in seinem Mund ausbreitete. Er hatte unterwegs beschlossen, aus Angst davor, dass Hilfe versagt würde, nicht die ganze Wahrheit preiszugeben. So erklärte er dem aufmerksam lauschenden Cerêler und seiner Gemahlin lediglich, dass sie unterwegs nach Ulldart gewesen waren, dabei vom Kurs abgewichen und von unbekannten Piraten hartnäckig verfolgt worden waren, bis sie ein Sturm zum Kentern gebracht hatte.
»Noch fehlen uns drei liebe Freunde, darunter die Mutter des Knaben«, schloss er seine Ausführungen. »Wir befürchten, dass die Frau von den … Lijoki mitgenommen wurde. Wir fanden ihre Spuren im Sand, die abrupt endeten. Um ihr Schicksal zu erkunden, müssten wir, mit Eurer Erlaubnis, länger in Bardhasdronda bleiben. Dabei wären wir jedoch auf Eure Unterstützung angewiesen. Außer dem Sack Süßknollen haben wir nichts mehr.«
Kalfaffel stieß einen Rauchkringel zur Decke. »Das sollte keine Schwierigkeiten bereiten. Bardhasdronda ist nicht unbedingt eine reiche Stadt, aber wir können es uns schon leisten, in Not geratene Fremde aufzunehmen.« Der Bürgermeister zwinkerte mit den Augen. »Wenn Kalisstra euch drei schon überleben ließ, was ein Wunder ist, sollt ihr in unserem Land und der Stadt willkommen sein.«
»Ich denke, es war die Gnade Ulldraels, die uns bewahrte«, widersprach Matuc freundlich.
Sogleich verfinsterte sich das freundliche Gesicht des Cerêlers. »Ich weiß, dass ihr Ulldrael den Gerechten als Euren Schutzgott gewählt habt. Hier dagegen ist die Bleiche Göttin die Schöpferin des Landes, und ich bitte dich, das zu respektieren.«
»Ich achte alle Götter, die an der Schaffung unserer Welt beteiligt waren.« Der Mönch blieb hartnäckig. »Doch ich bin, damit Ihr es wisst, ein Mann des Glaubens. Nach einer langen Zeit des Haderns und Zweifelns führte mich Ulldrael zurück auf den Pfad, indem er mir durch sein Eingreifen das Leben bewahrte. Ihr werdet verstehen, dass ich ihn als ein bekennender Mönch nicht einfach zur Seite räumen kann.«
»Matuc, was soll das?«, zischte Fatja böse und zupfte an seinem Rock. »Wenn du so weiterredest, werden sie uns rausschmeißen.«
Doch Kalfaffel schien nicht beleidigt zu sein. Er beugte sich ein wenig nach vorne. »Matuc, du wirst große Schwierigkeiten bekommen, wenn du an Ulldrael festhältst. Du hast die vielen Kalisstra-Heiligtümer gesehen? Die Göttin sorgt für uns, schickt uns Fischschwärme, lässt die Winter nicht zu hart werden und sendet uns die Menge an Tieren, die wir benötigen, um zu überleben. Ulldrael lässt nicht einmal den Weizen auf den Feldern gedeihen. Wir müssen unser Korn für teures Geld kaufen. Der Gerechte zählt nur wenig. Kalisstra nicht zu achten, bedeutet für viele der Menschen, die Bleiche Göttin zu schmähen.« Er bedachte die Borasgotanerin mit einem beruhigenden Blick. »Ich werde euch bestimmt nicht aus der Stadt werfen. Aber denkt immer daran, dass die Kalisstri nicht in ihrer Gesamtheit tolerant eingestellt sind.«
Der Mönch schaute an sich hinab. »Ich wollte die Frauenkleider gegen eine Robe tauschen, die ich anfertigen lassen möchte.«
»Ich rate dir davon ab«, sagte Tjalpali freundlich. »Manche würden darin eine Herausforderung sehen.«
Kalfaffel sah aus dem Fenster. Dicke Schneeflocken fielen aus dem Himmel und bedeckten rasch Hausdächer und Straßen. »Es gibt eine
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