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Unter der Hand (German Edition)

Unter der Hand (German Edition)

Titel: Unter der Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Leupold
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Ausspruch gewesen sein, der im Krankenhaus oft fiel, so wurde mir hinterher berichtet. Nicht dass Nonnen für derlei Fragen die kompetentesten Auskunftsgeber wären, aber recht behalten haben sie im Großen und Ganzen doch. Und wenn in diesem Orakel eine gewisse Geringschätzung für das Geschöpf durchscheint, dem die Prognose galt, dann täuscht dieser Eindruck keineswegs. Der Mann – als solcher – war auch für die Nonnen die Elle, an der Erfolg gemessen wurde.
    Ich erhebe mich vom Liegestuhl, tauche die Zehen ins Wasser und studiere den makellosen Himmel nach Hinweisen: Er spannt sich, mehr nicht.
    Geschrei aus Richtung der Rezeption, die Berner kehren zurück. Es ist früher Nachmittag, das kann keine lange Tour gewesen sein. Es muss sich folglich um die Cappuccino-Gruppe handeln, die die Hintern ihrer unerfahrenen Mitglieder schont und nur halbtägigen Einsatz verordnet. Beinahe wünsche ich mir, Claudia möge auftauchen, ihre blonden Locken schütteln und meine Schatten vertreiben mit ihrem liebenswürdigen Berner Gesang. Nach unserem Duett am Pool hatte ich sie noch einmal beim Frühstück getroffen. Da schrieb sie Postkarten an Berner Skeptiker; ein großer Teller dampfender Spaghetti war auf der Vorderseite der Karte zu sehen, darunter der Schriftzug
Kunstschätze Italiens
. Eigentlich missfallen mir Menschen, die witzige Postkarten kaufen und sich über den zu erwartenden Gesichtsausdruck der Adressaten im Voraus freuen. Mit der freien Hand balancierte Claudia ein Stück Kuchen, von dem sie sinnend – mit den Gedanken war sie in Bern – abbiss. Zwei, drei Krümel oder Pinienkerne (ich glaube es handelte sich um eine
crostata ai pini
) taumelten in ihr Dekolleté und mischten sich unter die Sommersprossen. Nun, in einem solchen Versteck wäre ich selbst gern blinder Passagier gewesen, auch wenn meine sexuelle Orientierung eindeutig Männern gilt; es muss sich mal wieder um mein Mutterbrust-Defizit handeln.
    Claudias Füße steckten in geblümten Badelatschen und wippten im Takt ihrer Einfälle. Sie teilte den Frühstückstisch mit einer Freundin, vielmehr Gefährtin, die – der athletischen Figur nach zu urteilen – zur Gruppe der Fortgeschrittensten gehören musste und deren Teller nur halb so beladen war wie der Claudias. Sie musterte mich ein wenig streng, ihr Blick hellte sich erst auf, als er auf meine Laufschuhe fiel.
    Sie schlug diesen konfektionierten Coach-Tonfall an, nach dem Motto:
Auch die Nieten muss man ermutigen
, und nippte an ihrem Tee. Ich dachte, wie schön die Welt wäre, wenn es nur Cappuccino-Gruppen gäbe, deren Mitglieder lachend bergauf bummelten und
Your efforts will pay
auf ihre Oberschenkel tätowieren ließen. Wenn es lauter Claudia-Klone gäbe. Vielleicht gehören Güte und Korpulenz zusammen, das Rationieren und Haushalten verträgt sich nicht mit Üppigkeit. Und wenn ich das als einen Dreisatz betrachte – der Mathematik war ich trotz durchgehend schlechter Noten immer zugewandt – dann ergibt das: hagere Nonnen. Und meine Schlafprobleme? Sind sie ein Wunder, so wie ich gebettet wurde? Und die Allergien? Sind sie eins? Nein! Ich lag inmitten von Fremdeinwirkungen. Welche alle weibliche Vornamen trugen wie Hilde und Cordula und ein Brustbein hatten anstelle der Brust. Auf welchem das Kruzifix wachte wie eine Festung.
    Jetzt bewegt sich die bunte Truppe auf den Pool zu; ich strecke mich schnell auf dem Liegestuhl aus und halte das aufgeschlagene Buch in die Höhe, um Claudias Wege ungesehen zu beobachten. Sie geht neben der mageren Freundin und reibt sich den Hintern. Das Tattoo bewegt sich im Takt ihrer Schritte.
    Im Lack des Kinderbetts, das auf die Steinsäcke folgte, gab es Kratzer, die sich an einer Stelle zu etwas zusammenfügten, von dem ich mit etwa drei, vier Jahren beschloss, es müsse der Umriss Afrikas sein (ja, Frühgeburten sind auch frühreif!). Nachts floh ich mit dem Finger südwärts, also herzwärts. Ich könnte auch sagen, mein Herz schlug in Afrika. Daran muss ich denken, als ich Claudia zuschaue, wie sie schnaubend und prustend das Becken durchquert. Das Wasser teilt sich zuvorkommend, scheint mir, kein Wunder, bei soviel Einverständnis und Harmonie mit dem eigenen Körper. Claudia, möchte ich rufen, wie machst du das? Wo lässt du deinen Gram?
    Natürlich halte ich den Mund. Und beschließe, in den letzten Tagen so viel wie möglich von ihr zu lernen: von einer Glückstrainerin, die nichts von ihrem Glück weiß.
    Der nächste Tag beginnt

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