Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
gut aussehender Mann, seine atemberaubende Wohnung in der Park Avenue, in die er sie an dem Abend vor 14 Tagen mitgenommen hatte, machte ihn in ihren Augen noch sehr viel begehrenswerter. Purer Luxus auf zwei Stockwerken verteilt, vier Meter hohe Decken, spiegelnde Marmor-und Parkettfußböden, die Salons eingerichtet mit feinsten Antiquitäten, französischen Kristallkronleuchtern und dicken Teppichen. Alex hatte schon viel von diesen Wohnungen gehört, die sich nur die Superreichen leisten konnten und die größer als so manches Landhaus waren, aber bis dahin noch keine von innen gesehen. Die Erinnerung an jene erste Nacht mit Sergio jagte ihr unwillkürlich einen angenehmen Schauer über den Rücken. Es hatte sie mit einem prickelnden Machtgefühl erfüllt, wie dieser beherrschte Mann ganz und gar die Kontrolle über sich verloren hatte. Sergio war verrückt nach ihr, und das allein war schon ziemlich schmeichelhaft, wenn man bedachte, wer er war. Doch damit er nicht glaubte, dass er sie nach einer einzigen, zugegebenermaßen aufregenden, Nacht gleich auf der Haben-Seite verbuchen konnte, war sie am nächsten Morgen gegangen, bevor er aufgewacht war. Es hatte keine acht Stunden gedauert, bis er vor ihrer Haustür gestanden und sie ins Windows on the World eingeladen hatte, das er für sie beide ganz allein reserviert hatte. ›Beeindrucken Sie mich‹, hatte Alex bei einem Treffen ein paar Tage zuvor herausfordernd zu ihm gesagt und er hatte ihr versprochen, dies zu tun. Sergio hatte sein Versprechen gehalten.
»Wie geht’s dir, Cara? Was macht die Arbeit?«
»Sie droht mich zu ersticken«, Alex machte ihrer Sekretärin Marcia ein Zeichen, ihr die Akten, mit denen sie hereinkam auf den Schreibtisch zu legen, »aber ich will das ja gar nicht anders haben.«
»Ich wollte dich fragen, ob du heute Abend schon etwas vorhast«, fragte Sergio nun.
»Oh«, Alex musterte rasch die Aktenberge vor sich, »ich habe noch viel zu tun. Es kommt darauf an.«
»Auf was kommt es denn an?«
»Auf das, was du jetzt vorschlägst«, Alex lächelte leicht. Sergio sollte mittlerweile begriffen haben, dass sie nicht zu der Sorte Frau gehörte, die sofort angerannt kam, wenn er nur mit dem Finger schnippte.
»Hm«, erwiderte er, »ich weiß nicht, ob dir so etwas gefällt, und vielleicht ist ja auch etwas sehr kurzfristig, aber ich wollte dich fragen, ob du nicht Lust hättest, mich heute Abend zum Wohltätigkeitsdinner der Stephen-Freeman-Stiftung ins City Plaza zu begleiten.«
Er sagte das im Plauderton, als handele es sich um eine Einladung zum Schlittschuhlaufen. Alex richtete sich auf. Arbeit und Akten waren schlagartig vergessen. In diesem Moment galt es, Prioritäten zu setzen, und eine solche Gelegenheit, wie Sergio sie ihr bot, hatte oberste Priorität.
»Wenn du natürlich zu viel Arbeit hast …«, Sergios Stimme klang bedauernd, hatte aber einen spöttischen Unterton.
»Die Arbeit läuft mir schon nicht weg«, antwortete Alex.
»Heißt das, du kommst mit?«, fragte Sergio.
»Ja, sehr gerne.«
»Das freut mich«, antwortete er, »ich hole dich um acht Uhr ab.«
Als Alex den Telefonhörer aufgelegt hatte, lächelte sie zufrieden. Heute Abend würde sie einen weiteren, großen Schritt in die richtige Richtung unternehmen und den wirklich wichtigen Leuten dieser Stadt auf gesellschaftlicher Ebene begegnen. Und ganz zweifellos würde ihr erster Auftritt in Begleitung von Sergio Vitali viel beachtet werden. Alex warf ihrem Spiegelbild im Fenster ein triumphierendes Lächeln zu, dann griff sie zum Telefon. Sie musste absolut perfekt aussehen, und dafür blieben ihr noch knapp vier Stunden Zeit.
***
Beim festlichen Dinner fand Alex sich zwischen Sergio und Paul McIntyre, dem Leiter der New Yorker Baubehörde, wieder. An ihrem Tisch saßen außerdem Vincent Levy, der sich seine Überraschung darüber, seine M & A-Chefin an der Seite Sergio Vitaliszu sehen, nicht anmerken ließ, seine Frau, der bekannte Immobilienspekulant David Baines, Senator Fred Hoffman und andere wichtige Persönlichkeiten. Nachdem Alex eine Weile mit halbem Ohr zugehört hatte, wie sich Mrs McIntyre und Mrs Levy über einen Urlaub auf den Caymans unterhielten, und die Frau des Leiters der Baubehörde von der sensationellen Luxussuite schwärmte, die Mr Vitali ihnen schon zum wiederholten Male zur Verfügung gestellt hatte, hakte sie die Frauen dieser einflussreichen Männer rasch als uninteressant ab. Sie hatte sich noch nie etwas aus weiblicher
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