Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
die Atomstromlieferanten sagen einfach ‚Sorry, dass wir so schmutzig waren‘, ziehen sich reuig zurück und streicheln Wale?“
Die Sprecherin von „PRO!“ tigert in ihrem Büro herum. „Das ist das Problem. Sie haben das Problem erkannt. Das werden sie eben nicht tun. Also müssen wir die Bevölkerung auf unserer Seite haben, gegen die Volksmeinung helfen keine Milliarden, auf Dauer auch keine Bestechungen. Klar sind gewisse Politiker mit Geld zu beeinflussen, aber in erster Linie wollen sie wiedergewählt werden.“
In der Nähe dieser Fleisch gewordenen Energie sitzen zu bleiben, macht mich nervös. Ich stehe auf und schaue aus dem Fenster. „Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, ich habe nicht viel übrig für Ölkonzerne. Aber man muss realistisch sein. Nicht alle in der Bevölkerung wollen das, was Sie möchten. Es gibt viele, die mögen nicht einmal Windräder.“
„Weil sie nicht aufgeklärt sind!“
„Weil sie finden, dass sie ihre Landschaft verschandeln.“
Tina Bogner sieht mich empört an. „Finden Sie das wirklich? Ich meine: So super ist die Landschaft da auch wieder nicht. Jetzt bewegt sich wenigstens etwas.“
„Im Nachbardorf meiner Freundin entsteht auch ein Windpark. Zwischen Hügeln und Weingärten.“
„Ja. Aber auch die Leute dort wollen es warm und hell haben, sie wollen fernsehen und ihre Wäsche in der Waschmaschine waschen. Und sie wollen keinen Atomstrom dafür. Da muss es eben Kompromisse geben.“ Sie seufzt. „Sie haben recht, ich sollte realistisch bleiben: Wir werden nicht alle glücklich machen. Andererseits: Mit ihren Ölpumpen haben die im Weinviertel auch leben gelernt, oder?“
Das erinnert mich an etwas. „Können Sie sich erklären, warum das Bundesheer bei einer Gasstation eine Übung macht?“
Tina Bogner stoppt ihren rasanten Gang durchs Büro. „Bundesheer? War das nicht die Betriebsfeuerwehr? Die müssen immer wieder üben, das Gas in den Leitungen steht unter enormem Druck, siebzig Bar, wenn da etwas passiert, reicht es nicht, einen Schlauch halten zu können.“
„Es war das Bundesheer. Mit fünf Hubschraubern. Am vergangenen Dienstag. Ich war per Zufall dort.“
Die „PRO!“-Sprecherin reibt sich mit dem Zeigefinger die Stirn. Sie denkt nach. Selbst das scheint bei ihr mit körperlicher Aktivität verbunden. „Gasknotenpunkte sind ganz sicher militärische Angriffsziele. Das ist mit ein Grund, warum wir gegen die langen Leitungsnetze sind. Sie verschleudern nicht nur Energie, sie machen angreifbar. Scheint so, als hätte das Bundesheer wenigstens das begriffen … Allerdings ist es absurd zu glauben, dass sie alle Überlandpipelines sichern könnten! Abgesehen davon, dass wir momentan nicht gerade von Feinden umzingelt sind.“
„Und was ist mit Terroristen?“
„Das ist natürlich möglich. Terroristen. Sie würden sich zuallererst auf die Energieversorgung konzentrieren. So treffen sie besonders viele Menschen direkt. So kann man Wirtschaftskrisen auslösen. Und politische Krisen. – Wissen Sie, dass es zwei, drei Atomkraftwerke rund um Österreich gibt, bei denen schon eine Granate ausreicht, um ihr Kühlsystem zu beschädigen? – Sie werden über das Manöver berichten? Es ist gut, wenn alle erfahren, wie angreifbar unsere herkömmliche Energieversorgung ist und dass sich sogar das Bundesheer Sorgen macht.“
Und schon bin ich ein Teil ihrer glücklichen Sonnenfamilie.
Tina Bogner überlegt: „Haben Sie Fotos von der Übung? Wäre es möglich, Ihnen welche abzukaufen? Bilder sagen einfach mehr … Wir können Ihren Namen nennen oder auch nicht, ganz wie Sie wollen. Und wir warten natürlich, bis Sie die Bilder im ‚Magazin‘ abgedruckt haben. Es wird ja mehrere geben …“
„Es gibt keine Fotos davon.“
„Sie haben doch gesagt, Sie waren dort.“
„Ich bin dort gejoggt.“
„Und Sie hatten nicht einmal ein Smartphone dabei?“ Sie glaubt mir kein Wort.
Inzwischen stehe ich dicht bei der Glasscheibe mit der Aussicht auf die Landschaft, die Tina Bogner nicht so berauschend findet. Ich übrigens auch nicht, aber das spielt jetzt keine Rolle. Die „PRO!“-Sprecherin ist mir beim Reden immer näher gekommen. Ich hasse so etwas. Ich bin, solange es ging, zurückgewichen. Üblicherweise kenne ich diese Art der Instinktlosigkeit nur von Männern. „Werden Sie mich durch die Scheibe pressen, wenn ich keine Fotos herausrücke?“ Ich sage es möglichst spöttisch.
Sie macht einen Sprung zurück. „Oh, Entschuldigung.
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