Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
Manchmal geht mein Temperament mit mir durch. Natürlich will ich Sie nicht unter Druck setzen. Aber solche Fotos wären für uns gut, kleine anschauliche Informationsteilchen.“
Ich seufze. „Ich habe wirklich keine Bilder. Natürlich hatte ich ein Telefon mit, aber ich habe nicht daran gedacht zu fotografieren.“ Soll sie erst einmal von fünf Hubschraubern umkreist werden. Aber wahrscheinlich hätte sie die nicht bloß fotografiert, sondern einen mit einem Lasso geentert und den Piloten gezwungen, ihr zu sagen, was sie da tun. Irgendwie wäre diese Frau die perfekte Vorlage für ein Öko-Helden-Comic. „Tina und die Militärhubschrauber!“ „Tina und die bösen Ölbarone!“ „Tina rettet die Welt!“ Vielleicht sollte ich bei ihr anheuern und die Kampagne mit solchen Storys aufpeppen. Zeichnen kann ich allerdings nicht.
„Haben Sie übrigens schon eine Einladung zu unserem Dorffest?“, will Energie-Tina wissen.
Ein ganz schöner Gedankensprung. Ich versuche mitzuhüpfen. „Ich glaube kaum. Ich gebe zu, ich habe Ravensbach bisher nicht gekannt.“
„Bald werden es alle kennen! Es wird nächsten Sonntag umbenannt. In Sonnendorf.“
„Symbolisch, meinen Sie.“
„Nein. Mit allen dafür notwendigen Beschlüssen. Das Dorf ist unsere Vorzeigegemeinde. Da wird deutlich, was wir meinen.“
„Es sieht eigentlich nicht nach etwas Besonderem aus“, wende ich vorsichtig ein.
„Genau das ist es! Wir wollen eine vernünftige Energiezukunft für alle und nicht bloß für irgendwelche Eliten, die sich ohnehin alles leisten können! Hier gibt es nicht nur unser Biomasseheizwerk, das mit Hackschnitzeln aus dem anliegenden Wald befeuert wird, es gibt den Windpark, wir haben vielen Leuten bei den komplizierten Anträgen für Solarförderungen geholfen, ein Kraftwerk, das über Wasserstoff die von Wind und Sonne erzeugte Energie speichert, ist in Arbeit. Und: Die beste Firma, die Windräder wartet, hat sich in Sonnendorf angesiedelt, eine Energieberatungsagentur, die Privatpersonen und Unternehmen via Internet mit den neuesten Informationen versorgt, hat auch hier ihren Sitz, es ist eine Imagesache, hier zu sein, weitere Firmen für saubere Energie werden folgen. Das schafft Arbeitsplätze, sichere grüne Arbeitsplätze! – Sagt Ihnen ‚Silicon Valley‘ etwas? Wir werden ‚Green Valley‘!“
Passt gut in meine Serie. Vor allem, wenn ich mich auf den realistischen Teil konzentriere. Aber das sage ich ihr lieber nicht. Sonst sitze ich übermorgen noch hier. Dieses Kraftwerk in Frauengestalt schläft sicher nie. Und es hat Argumente bis unendlich. „Warum haben Sie bei ‚PRO!‘ angeheuert? Sie könnten auch andere Kampagnen planen, mit Ihrem Einsatz.“
Erstaunlicherweise hat meine Frage Tina Bogner zum Schweigen gebracht. Sie sieht mich nachdenklich an, nur ihre rechte Hand zieht auf der Schreibtischplatte Kringel. „Sie haben recherchiert, was ich in meinem früheren Job gemacht habe?“
Ich sehe drein, als wäre das so.
„Ich war eine klassische Werberin, ich gebe es zu. Ich war in den USA. Ich hab in Deutschland große Kampagnen geleitet. Erfolgreich. Irgendwann einmal hatte ich es satt, von Managern und dummen Unternehmensbesitzern abhängig zu sein. Du entwickelst ein super Konzept und bei der Präsentation der Kampagne sagt die Ehefrau des Auftraggebers: ‚Ich finde pink gar nicht schön.‘ Du antwortest: ‚Es geht nicht um die Farbe, es geht um die Sängerin Pink. Ich habe sie überzeugen können mitzutun. Sie ist perfekt für die Zielgruppe unseres Produkts.‘ Sie darauf: ‚Die heißt wie eine Farbe? Was kann die können? Ich finde pink gar nicht schön.‘“ Tina Bogner grinst. „Nur so als reales Beispiel. Außerdem hab ich mich immer schon für die Umwelt interessiert. Ich meine: Was muss noch alles passieren? Monatelang ist an der amerikanischen Küste Öl ins Meer geflossen und schon jetzt spricht keiner mehr darüber. – Die Ölgesellschaft will übrigens weniger Schadenersatz zahlen als vereinbart, weil sich die Umwelt angeblich schon regeneriert hat. – Also bin ich zu Greenpeace und hab in London ihre Öffentlichkeitsarbeit geleitet. Per Zufall bin ich dort auf ‚PRO!‘ gestoßen. Es ist meine Chance zu zeigen, was ich kann.“
„Ich nehme an, eine Top-Werberin wie Sie, die kostet auch einiges. Woher hat ‚PRO!‘ das Geld?“
„Ich bin am Unternehmen beteiligt. Ich glaube daran. Ich beziehe nur ein kleines Gehalt.“
„Und wem gehört ‚PRO!‘ sonst
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