Unter Verdacht
diese Art beschleunigen.
Fünf Minuten vor der Zeit erreichte Sylvia ihren Parkplatz. Sie lief eilig ins Unigebäude, direkt zum Hörsaal. Noch völlig außer Atem begann sie die Vorlesung.
In der Mittagspause gab Doktor Martin Buchholz, das »anrüchige« Objekt, wie Anne ihn nannte, im Konferenzzimmer seinen Einstand. Kalte Platten waren nett arrangiert, Getränke inklusive.
»Sie wollen ganz offensichtlich länger bei uns bleiben«, begrüßte Sylvia den neuen Kollegen herzlich. »Auf gute Zusammenarbeit.«
»Danke. Das wünsche ich mir ebenfalls.«
»Haben Sie sich schon etwas eingelebt?« wollte Sylvia wissen.
»Wenn Sie damit meinen, ob ich noch Zeit hätte, eine Ihrer Vorlesungen zu übernehmen, muss ich leider ablehnen. Professor Bauer hat mich mehr als reichlich versorgt.«
»Na, da haben Sie den Alten ja schon von seiner besten Seite kennengelernt«, meinte Sylvia wenig respektvoll und setzte leise flüsternd hinzu: »Professor Bauer ist ein Tyrann in jeder Beziehung. Er kann es nicht sehen, wenn einer eine freie Stunde im Terminkalender hat.«
»Das habe ich gehört, liebe Kollegin«, vernahm Sylvia hinter sich Bauers Stimme.
Sylvia erwiderte kess: »Das sollten Sie auch.«
Die drei lachten.
Bauer wandte sich an Buchholz. Sylvia nahm die Gelegenheit wahr, vom Essen zu probieren.
Anne hatte nur darauf gelauert, dass Sylvia frei wurde. Sie schoss auf sie zu.
»Überleg es dir doch noch mal mit dem Australier am Samstag. Torsten ist wirklich nett, und ich habe ihm schon so von dir vorgeschwärmt.«
»Ach, sieh an. Also hatte ich doch recht. Torsten heißt der Kandidat diesmal. Anne, ich würde dir den Gefallen ja gerne tun, aber nicht diesen Samstag.«
»Dann entschuldige ich dich, gebe ihm deine Telefonnummer, dass er dich anruft, und du gehst mit ihm aus?«
»Bist du verrückt?«
»Was ist schon dabei?«
»Ich will das nicht, das ist dabei! Ich kenne den Mann doch gar nicht.«
»Dann lernst du ihn eben kennen.«
Sylvia seufzte ergeben. Manchmal konnte Anne regelrecht penetrant sein. »Also gut. Du gibst sowieso nicht eher Ruhe, bis ich ja sage.«
»Du wirst sehen, es war die richtige Entscheidung«, triumphierte Anne.
Derart überrumpelt verließ Sylvia kurz darauf die kleine Runde. Die Zeit bis zur nächsten Vorlesung verbrachte sie lieber mit der neuesten Ausgabe einer Fachzeitschrift, bevor Anne noch weitere Dummheiten einfielen.
Kurz nach halb fünf verließ Sylvia die Uni. Während der Heimfahrt wurde ihr immer kribbeliger im Bauch. Sie war seltsam aufgekratzt! Sie freute sich darauf, Karen heute Abend wiederzusehen und mit ihr plaudern zu können.
Zu Hause angekommen, fütterte Sylvia als erstes Mozart und ging dann unter die Dusche. Während das Wasser auf sie niederprasselte, summte sie vor sich hin. Anschließend stand sie mit einem um die nassen Haare gewickelten Handtuch etwas ratlos vor ihrem Kleiderschrank. Was trug man zu einer solchen Gelegenheit? Sie konnte schlecht dasselbe Kostüm wie am Sonntag anziehen. Sylvia breitete verschiedene Hosen, Blusen und Jacken auf ihrem Bett aus. Schließlich entschied sie sich für das olivfarbene Seidenkostüm, eine legere Hose mit Kurzjacke. Sie zog sich an und eilte zurück ins Bad. Sie hatte bei der Kleidungswahl viel Zeit verloren und musste sich nun beeilen. Trotzdem legte sie beim Föhnen ungewöhnlich große Sorgfalt an den Tag.
Als sie zurück ins Schlafzimmer kam, lag dort Mozart sichtlich zufrieden auf dem Bett zwischen all den abgelegten Sachen und hatte sich zu einem Verdauungsschläfchen eingerollt. Sylvia überlegte kurz, ob sie ihn runterscheuchen sollte, aber dann ließ sie ihm sein Plätzchen. Es war sowieso keine Zeit mehr aufzuräumen.
Karen beobachtete seit einer halben Stunde die Eingangstür.
Ellen, die neben ihr stand, grinste. »Sie wird schon kommen.«
Karen tat, als wüsste sie nicht, was Ellen meinte. »Wie?«
»Sylvia. Sie kommt ganz sicher. Sie ist es doch, wegen der du beinahe durch mich hindurchschaust. Ich glaube, ich bin eifersüchtig.«
Karen sah in Ellens verschmitzt lächelnde Augen. »Du phantasierst. Außerdem habe ich im Moment wirklich andere Sorgen«, brummte sie.
Ellens Miene verdüsterte sich. »Hast du mit Vater gesprochen?«
»Habe ich. Er war wirklich rücksichtsvoll, hat kaum Fragen gestellt. Nachher stellt er mich einem alten Freund vor. Ein angebliches Finanzgenie. Ich hoffe, das war keine Übertreibung.«
Ellen nahm ihre Schwester in den Arm. »Mach dich nicht verrückt. Es
Weitere Kostenlose Bücher