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Untergang

Untergang

Titel: Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérôme Ferrari , Aus dem Französischen von Christian Ruzicska
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mit Rotwein, der in Cola-Flaschen serviert wurde. Nachmittags gingen sie gemeinsam das Grabungsgelände ab, traten hier und da auf ein gebrauchtes Präservativ, liegen gelassen von einem Pärchen, das wie sie kein Zimmer hatte, seine Umklammerungen zu behüten, dessen ländliche Feuer sie jedoch nicht nachzuahmen suchten, denn das, was für eine glückliche Übertretung von Verliebten hätte gehalten werden können, war hier nichts als das Zeichen einer elenden Notwendigkeit. Der Monat August ging zu Ende, ein Monat der Hundstage, der Eingeweide von Fischen und der Feuchtigkeit, ein Monat ohne Liebe. Aurélie begriff, dass es nur einen Ort geben konnte, an dem sie offen ihre Beziehung mit Massinissa leben konnte, und dieser Ort war weder Frankreich noch Algerien, er war Teil der Zeit und nicht des Raumes und er lag nicht innerhalb der Grenzen der Welt. Er war ein Teil des fünften Jahrhunderts, der in den zusammengesackten Steinen von Hippo Regius weiterbestand, wo der Schatten von Augustinus noch immer die geheimen Hochzeiten derer zelebrierte, die ihm teuer waren und die sich nirgendwo sonst vereinen konnten. Aurélie war traurig, sie war nie imstande gewesen, sich Hals über Kopf zu verlieben, Gefühlsduselei war ihr ein Gräuel, aber sie hätte gern gewusst, wohin diese Geschichte sie führen konnte. Sie war bereit, sämtliche Niederlagen auf sich zu nehmen, wären es nur die ihren, und es fiel ihr außergewöhnlich schwer, vor der brutalen Wirklichkeit von Fakten kapitulieren zu müssen, die von niemandes Willen abhingen. Denn ihr blieb keine andere Wahl als die Kapitulation. Die Grenze einer gläsernen, durchsichtigen Mauer schloss sich erneut um sie, die zu durchbrechen oder niederzureißen sie noch immer nicht die Kraft besaß, wenn auch genau dies jetzt ihr sehnlichster Wunsch war. Massinissa lud sie ein, in Draria Fleischspieße zu essen, sie setzten sich in den Familienraum eines beliebten Restaurants, der Service war viel zu schnell und effektiv, die Mahlzeit dauerte kaum länger als eine Viertelstunde, die sie dadurch versuchten auszudehnen, dass sie ihren Pfefferminztee so langsam wie möglich tranken, und dann zahlte Massinissa, sie fuhren durch Algier, an Sperren prüften Polizisten ihre Papiere mit spöttischen Blicken, und er brachte sie zurück Richtung Hotel, in das er nicht würde folgen können. Sie wollte ihm eine Freude bereiten und ihn ihrerseits einladen zum Chinesen im Hotel El Djazaïr. Der Abend war grauenerregend. Aurélie hielt sich zurück, auch noch die dritte Flasche Médéa mit Korkgeschmack zurückgehen zu lassen. Massinissa, zunächst erstarrt, warf inzwischen wütende Blicke auf den Kellner, der ihre Frühlingsrollen mit Hühnerfleisch auf den Tisch stellte und tatsächlich ein geheimnisvolles Lächeln der unangenehmsten Art aufsetzte, Massinissa war sich sicher, dass er sich lustig machte über ihn, dass er ihn nur deshalb ›Monsieur‹ mit einer solchen Betonung nannte, um ihn spüren zu lassen, dass er nur ein Bauer war, trotz der Anwesenheit der Französin, und er war mehr und mehr entnervt, »du kennst diese Schweine nicht, ihre Verachtung, er ist ganz stolz auf seinen Lakaienjob«, er rührte den Inhalt seines Tellers nicht an und schließlich verlangte Aurélie die Rechnung, die sie mit ihrer Kreditkarte beglich. Der Kellner reichte ihr zur Unterschrift den Quittungsbogen und lächelte dabei Massinissa an, der ihn unauffällig an der Weste zog und etwas auf Arabisch zu ihm sagte. Der Kellner stellte sein Lächeln ein. Sie kehrten zurück in ihr Auto. Massinissa hörte nicht auf, seine Bitterkeit wiederzukäuen.
    »In so ein Restaurant könnte ich dich niemals einladen. Die Vorspeisen für fünfhundert Dinar! Solche Orte sind ja ohnehin nichts für mich, gar nichts.«
    Aurélie verstand ihn. Sie zog ihn im Auto an sich. Es gelang ihr, ihn zu überzeugen, sich im selben Hotel ein Zimmer spendieren zu lassen, damit sie die Nacht gemeinsam verbringen könnten, sie würden vorgeben, einander nicht zu kennen, er würde lautlos zu ihr kommen, wie in Annaba, aber sie sah genau, wie sehr er sich schämte für seine Position eines ausgehaltenen Mannes, und sie spürte diese Scham sein Begehren schwächen im Augenblick selbst, da er sie in seine Arme schloss. Nach zwei Tagen ging er zurück zu seinen Eltern. So war das. Die Grabungen waren beendet, sie hatten langsam ihre jeweiligen Welten wieder eingenommen und hielten einander an den Händen über einem Abgrund, den nichts zu

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