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Unterm Birnbaum

Unterm Birnbaum

Titel: Unterm Birnbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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verloren.«
    »Kann ich nicht zugeben«, sagte Kunicke. »Jeder denkt an sein Geld. Alle Wetter, Szulski, das sollt unsrem Hradscheck schon gefallen, wenn der Reisende von Olszewski-Goldschmidt und Sohn alle November hier vorspräch und nie an Geld dächte. Nicht wahr, Hradscheck, da ließe sich bald auf einen grünen Zweig kommen und brauchte keine Schwester oder Schwägerin zu sterben und keine Erbschaft ausgezahlt zu werden.«
    »Ah, Erbschaft«, wiederholte Szulski. »So, so: daher. Nun, gratuliere. Habe neulich auch einen Brocken geerbt und in Lemberg angelegt. Lemberg ist besser als Krakau. Ja, das muß wahr sein, Erbschaft ist die beste Art, zu Gelde zu kommen, die beste und eigentlich auch die anständigste ...«
    »Und namentlich, auch die leichteste«, bestätigte Kunicke. »Ja, das liebe Geld. Und wenn's viel ist, das heißt
sehr
viel, dann darf man auch dran denken! Nicht wahr, Szulski?«
    »Natürlich«, lachte dieser. »Natürlich, wenn's viel ist. Aber, Bauer Kunicke, denken und denken ist ein Unterschied. Man muß
wissen
, daß man's hat, soviel ist richtig, das ist gut und ein angenehmes Gefühl und stört nicht ...«
    »Nein, nein, stört nicht.«
    »Aber, meine Herren, ich muß es wiederholen, denken und denken ist ein Unterschied. An Geld
immer
denken, bei Tag und bei Nacht, das ist soviel wie sich immer drum ängstigen. Und ängstigen soll man sich nicht. Wer auf Reisen ist und immer an seine Frau denkt, der ängstigt sich um seine Frau.«
    »Freilich«, schrie Kunicke. »Quaas ängstigt sich auch immer.«
    Alle lachten unbändig, und nur Szulski selbst, der auch darin durchaus Anekdoten- und Geschichtenerzähler von Fach war, daß er sich nicht gern unterbrechen ließ, fuhr mit allem erdenklichen Ernste fort: »Und wie mit der Frau, meine Herren, so mit dem Geld. Nur nicht ängstlich; haben muß man's, aber man muß nicht ewig daran denken. Oft muß ich lachen, wenn ich so sehe, wie der oder jener im Postwagen oder an der Table d'hôte mit einem Male nach seiner Brieftasche faßt, ›ob er's auch noch hat‹. Und dann atmet er auf und ist ganz rot geworden. Das ist immer lächerlich und schadet bloß. Und auch das Einnähen hilft nichts, das ist ebenso dumm. Ist der Rock weg, ist auch das Geld weg. Aber was man auf seinem Leibe hat, das hat man. All die andern Vorsichten sind Unsinn.«
    »Recht so«, sagte Hradscheck. »So mach ich's auch. Aber wir sind bei dem Geld und dem Einnähen ganz von Polen abgekommen. Ist es denn wahr, Szulski, daß sie Diebitschen vergiftet haben?«
    »Versteht sich, es ist wahr.«
    »Und die Geschichte mit den elf Talglichten auch? Auch wahr?«
    »Alles wahr«, wiederholte Szulski. »Daran ist kein Zweifel. Und es kam so. Konstantin wollte die Polen ärgern, weil sie gesagt hatten, die Russen fräßen bloß Talg. Und da ließ er, als er eines Tages elf Polen eingeladen hatte, zum Dessert elf Talglichte herumreichen, das zwölfte aber war von Marzipan und natürlich für ihn. Und versteht sich, nahm er immer zuerst, dafür war er Großfürst und Vizekönig. Aber das eine Mal vergriff er sich doch, und da hat er's runterwürgen müssen.«
    »Wird nicht sehr glatt gegangen sein.«
    »Gewiß nicht... Aber, ihr Herren, kennt ihr denn schon das neue Polenlied, das sie jetzt singen?«
    »Denkst du daran – –«
    »Nein, das ist alt. Ein neues.«
    »Und heißt?«
    »Die letzten zehn vom vierten Regiment... Wollt ihr's hören? Soll ich es singen?«
    »Freilich.«
    »Aber ihr müßt einfallen...«
    »Versteht sich, versteht sich.«
    Und nun sang Szulski, nachdem er sich geräuspert hatte:
     
    »Zu Warschau schwuren tausend auf den Knien:
    Kein Schuß im heil'gen Kampfe sei getan,
    Tambour, schlag an, zum Blachfeld laß uns ziehen,
    Wir greifen nur mit Bajonetten an!
    Und ewig kennt das Vaterland und nennt
    Mit stillem Schmerz sein
viertes
Regiment.«
    »Einfallen! Chorus.« – »Weiter, Szulski, weiter.«
    »Ade, ihr Brüder, die zu Tod getroffen
    An unsrer Seite dort wir stürzen sahn,
    Wir leben noch, die Wunden stehen offen,
    Und um die Heimat ewig ist's getan;
    Herr Gott im Himmel, schenk ein gnädig End
    Uns letzten zehn vom vierten Regiment.«
     
    Chorus:
     
    »Uns letzten zehn vom vierten Regiment.«
     
    Alles jubelte. Dem alten Quaas aber traten seine schon von Natur vorstehenden Augen immer mehr aus dem Kopf.
    »Wenn ihn jetzt seine Frau sähe«, rief Kunicke.
    »Da hätt er Oberwasser.«
    »Ja, ja.«
    Und nun stieß man an und ließ die Polen leben. Nur

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