Unterm Birnbaum
zustimmend genickt, weil er die Bauern fast so gut wie Hradscheck kannte, so daß, nach Erledigung auch
dieses
Punktes, eigentlich nichts übriggeblieben war als die Frage, »was denn nun, unter so bewandten Umständen, aus dem durchaus zu beseitigenden Speck geworden sei?« Welche Frage jedoch nur dazu beigetragen hatte, Hradschecks Unschuld vollends ins Licht zu stellen. »Er habe die Speckseiten an demselben Morgen noch an einer anderen Gartenstelle verscharrt; gleich nach Szulskis Abreise.« – »Nun, wir werden ja sehn«, hatte Vowinkel hierauf geantwortet und einen seiner Gerichtsdiener abgeschickt, um sich in Tschechin selbst über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Aussage zu vergewissern. Und als sich nun in kürzester Frist alles bestätigt oder mit anderen Worten der vergrabene Speck wirklich an der von Hradscheck angegebenen Stelle gefunden hatte, hatte man das Verfahren eingestellt, und an demselben Nachmittage noch war der unter so schwerem Verdacht Gestandene nach Tschechin zurückgekehrt und in einer stattlichen Küstriner Mietschaise vor seinem Hause vorgefahren. Ede, ganz verblüfft, hatte nur noch Zeit gefunden, in die Wohnstube, darin sich Frau Hradscheck befand, hineinzurufen: »Der Herr, der Herr...«, worauf Hradscheck selbst mit der ihm eigenen Jovialität und unter dem Zurufe »Nun, Ede, wie geht's?« in den Flur seines Hauses eingetreten, aber freilich im selben Augenblick auch wieder mit einem erschreckten »Was is, Frau?« zurückgefahren war. Ein Ausruf, den er wohl tun durfte. Denn gealtert, die Augen tief eingesunken und die Haut wie Pergament, so war ihm Ursel unter der Tür entgegengetreten.
Hradscheck war da, das war das
eine
Tschechiner Ereignis. Aber das andere stand kaum dahinter zurück: Eccelius hatte, den Sonntag darauf, über Sacharja 7, Vers 9 und 10 gepredigt, welche Stelle lautete: »
So
spricht der Herr Zebaoth: Richtet recht, und ein jeglicher beweise an seinem Bruder Güte und Barmherzigkeit. Und tuet nicht Unrecht den
Fremdlingen
, und denke keiner wider seinen Bruder etwas Arges in seinem Herzen.« Schon bei Lesung des Textes und der sich daran knüpfenden Einleitungsbetrachtung hatten die Bauern aufgehorcht: als aber der Pastor das Allgemeine fallenließ und, ohne Namen zu nennen, den Hradscheckschen Fall zu schildern und die Trüglichkeit des Scheines nachzuweisen begann, da gab sich eine Bewegung kund, wie sie seit dem Sonntag (es ging nun ins fünfte Jahr), an welchem Eccelius auf die schweren sittlichen Vergehen eines als Bräutigam vor dem Altar stehenden reichen Bauernsohnes hingewiesen und ihn zu besserem Lebenswandel ermahnt hatte, nicht mehr dagewesen war. Beide Hradschecks waren in der Kirche zugegen und folgten jedem Worte des Geistlichen, der heute viel Bibelsprüche zitierte, mehr noch als gewöhnlich.
Es war unausbleiblich, daß diese Rechtfertigungsrede zugleich zur Anklage gegen alle diejenigen wurde, die sich in der Hradscheck-Sache so wenig freundnachbarlich benommen und durch allerhand Zuträgereien entweder ihr Übelwollen oder doch zum mindesten ihre Leichtfertigkeit und Unüberlegtheit gezeigt hatten. Wer in erster Reihe damit gemeint war, konnte nicht zweifelhaft sein, und vieler Augen, nur nicht die der Bauern, die, wie herkömmlich, keine Miene verzogen, richteten sich auf die mitsamt ihrem »Lineken« auf der vorletzten Bank sitzende Mutter Jeschke, der Kanzel grad gegenüber, dicht unter der Orgel. Line, sonst ein Muster von Nichtverlegenwerden, wußte doch heute nicht wohin und verwünschte die alte Hexe, neben der sie das Kreuzfeuer so vieler Augen aushalten mußte. Mutter Jeschke selbst aber nickte nur leise mit dem Kopf, wie wenn sie jedes Wort billige, das Eccelius gesprochen, und sang, als die Predigt aus war, den Schlußvers ruhig mit. Ja sie blieb selbst unbefangen, als sie draußen, an den zu beiden Seiten des Kirchhofweges stehenden Frauen vorbeihumpelnd, erst die vorwurfsvollen Blicke der Älteren und dann das Kichern der Jüngeren über sich ergehen lassen mußte.
Zu Hause sagte Line: »Das war eine schöne Geschichte, Mutter Jeschke. Hätte mir die Augen aus dem Kopf schämen können.«
»Bis doch sünnst nicht so.«
»Ach was, sünnst. Hat er recht oder nicht? Ich meine, der Alte drüben?«
»Ick weet nich, Line«, beschwichtigte die Jeschke. »He möt et joa weeten.«
Dreizehntes Kapitel
»He möt et joa weeten«, hatte die Jeschke gesagt und damit ausgesprochen, wie sie wirklich zu der Sache stand.
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