Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
die Tränen zu verbergen.
Peter legte seinen Arm auf Martins Schulter und sagte: „Ich mache mir ehrlich Sorgen um euch und fühle mich schuldig, weil ich kein besserer Arzt bin.“
Franziska war über Martins Reaktion erschrocken und antwortete, bevor Martin noch etwas Unüberlegtes sagte. „Du hast getan, was du konntest. Es lag nicht an dir. Es war wahrscheinlich so vorbestimmt.“
Martin überlegte und kam zu dem Schluss, dass seine Frau Recht haben könnte: „Entschuldige, Peter, ich hatte mich soeben nicht unter Kontrolle. Glaube mir bitte, ich meinte nicht das, was ich sagte.“
„Ich weiß, ich habe doch Verständnis für euch.“ Nach einer kleinen Pause sprach er weiter. „Ich wollte euch einen Vorschlag unterbreiten, etwas, worüber ihr nachdenken solltet.“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Ich habe gehört, dass jetzt viele Menschen Deutschland den Rücken kehren.“ Peter unterbrach mit Absicht seine Rede, um die Reaktion der beiden abzuwarten. Doch er bemerkte, dass sie nicht begriffen, worauf er hinaus wollte. „Sie wandern aus, nach Amerika oder Australien.“
„Ja“, antwortete Martin „davon habe ich auch gehört, aber dazu braucht man Mut und viel Geld. Ich habe weder das Eine und schon gar nicht das Andere.“
„Was gehört schon für Mut dazu“, erwiderte Peter Wagner „wenn man schon alles verloren hat. Schaut euch an, wie lange wollt ihr warten? Bleibt ihr noch einen Winter hier, verliert ihr auch Sabrina.“
Über die klaren Worte des Arztes und Freundes erschrocken, schaute Franziska auf ihre Tochter. „Mein Gott, hoffentlich hat sie uns nicht verstanden“, flüsterte sie fast lautlos vor sich hin. Aber Sabrina hörte nicht auf das Gespräch der Erwachsenen. Sie spielte mit einer gestrickten Puppe und einem zerzausten Teddybär. Franziska wandte sich wieder dem Gespräch der Männer zu. Sie sagte: „Aber was können wir tun?“
Der Arzt meinte: „Verkauft Haus und Grundstück und wandert aus, am besten nach Australien. Dort ist das Klima für euch drei besser. Es soll zwar auch vier Jahreszeiten geben, aber eben alles verdreht. Das Jahr beginnt dort mit dem Herbst, dann kommt der Winter und danach der Frühling. Weihnachten ist im Sommer. Aber denkt nicht, dass es im Winter kalt ist, nein, da herrscht ein angenehmes, mildes Klima. Nachts können allerdings die Temperaturen empfindlich sinken, aber da kann man sich ja zudecken. Und in einigen Gebieten soll es dann auch noch die Regenzeit geben.“
Martin und Franziska erwiderten nichts dazu.
Er sprach weiter. „Es ist eine sehr lange Überfahrt mit vielen Entbehrungen, aber es wird sich für alle lohnen.“
Martin und Franziska waren immer noch still und sahen ihn ungläubig an. Sie konnten einfach nicht glauben, was sie da eben gehört hatten; weggehen – von hier – von der Heimat – einfach so ...?! Es trat eine unheimliche Stille ein. Man hörte nur das Holz im Ofen knistern und das leise Stimmchen von Sabrina, die immer noch mit ihrer Puppe und dem Teddybär spielte.
Peter Wagner setzte das Gespräch fort. „Bedenkt bitte, ihr beide seid Waisen, keiner von euch hat Verwandte, um die ihr euch Sorgen müsstet. Das einzige, was ihr zurücklasst, sind Freunde und drei Gräber, um die sich diese Freunde kümmern würden. Das Zurücklassen von Familienangehörigen ist für viele ein Hindernis, um eine richtige Entscheidung zu treffen. Aber bei euch ist das von vornherein anders, was hält euch noch hier? Äußert euch – was hält euch hier?“
„Wer würde unser ärmliches Häuschen kaufen wollen? Es hat doch niemand Geld im Überfluss, und wer es hat, kann sich etwas Besseres leisten. Was kostet eine Überfahrt? Es ist bestimmt sehr teuer und für uns unbezahlbar“, gab Martin zu bedenken.
„Martin“, antwortete Doktor Wagner, der jetzt aufgestanden war. Er legte seine Hand Martin freundschaftlich auf die Schulter. „Seit wann bist du ein Pessimist? Wenn du etwas wirklich willst, dann schaffst du es. Ich für meinen Teil, werde alles versuchen, um euch zu helfen.“
„Lass uns eine Nacht darüber schlafen, Peter“, gab Franziska zu bedenken.
Als der Arzt, Peter Wagner gegangen war, sprachen sie kein einziges Wort miteinander. Franziska bereitete nachdenklich das Abendessen vor. Sie kochte Lindenblütentee. Im Sommer hatte sie die Blüten mit Robie und Sabrina gesammelt. Was war das doch für ein Spaß gewesen. Sie hörte jetzt noch ihre zwei Kinder lachen. Zum Essen gab es Brot und selbst
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