Unterwelt
einen Außenseiter gelandet hat und er nicht zahlen kann.«
»Terra Firma. Jimmy hatte die Wette nicht bei anderen Buchmachern untergebracht, die mit solchen Summen umgehen konnten. Vielleicht kam die Wette spät rein, und er hatte keine Zeit, sie woanders anzubieten.«
»Du weißt das, und ich nicht?«
»Sie schirmt dich ab.«
»Ich bin kein verdammtes bißchen beeindruckt. Warum nur?«
»Es gab keine dramatische Szene mit Männern, die ihn in ein Auto gestoßen haben und losgebraust sind. Er hatte Schulden, die er nicht bezahlen konnte. Er war ein kleiner Fisch. Er bezahlte einem Knopfmacher zehn Dollar die Woche, der ihm mit der Abrechnung half. Bei ihm ging es nicht um große Summen.«
»Hör zu. Ist das etwa keine Einladung zur Gewalt? Du schuldest einem Geld und kannst es nicht bezahlen? In dem Umfeld?«
»Was für ein Umfeld? Du hast sie doch gehört. Sie brauchten keine Gesetzesdiener.«
»Nö, sie hatten ja die Cops. Aber nicht für so ein Problem.«
»Er war weg, bevor noch ein Problem daraus werden konnte. Er hatte seit Jahren einen Fuß draußen. Du hast doch gehört, was sie gesagt hat. Er hatte sie schon mal verlassen. Er suchte nach einer Entschuldigung, um das zu einem Dauerzustand zu machen.«
»Du weißt das alles. Und ich nicht. Und trotzdem bin ich bemerkenswert unbeeindruckt. Hilf mir mal. Erklär mir das.«
Matt drehte den Hahn zu und schaute seinen Bruder an, der vornübergebeugt am Tisch saß.
»Er beging das unsagbare italienische Verbrechen. Er ließ seine Familie sitzen. Dafür haben sie nicht mal ein Wort.«
»Er hat uns nicht sitzenlassen. Sie sind gekommen und haben ihn abgeholt.«
»Glaub's ruhig weiter«, sagte Matt.
Er drehte den Hahn wieder auf, schäumte die Teller ein und spülte sie ab. Das Auto kam zurück, die Donnerkiste in Autogröße, und verursachte da draußen einen Knattersturm. Nick beugte sich schwer über den Tisch, inzwischen mit trägen Augen, gesenkten Brauen, den Mund nur einen Spaltbreit offen und zu einem leblosen Grinsen verzogen. Er erinnerte an jemanden, der schon vor Stunden angefangen hat zu trinken und fest entschlossen ist, den Punkt ganz besonderer Selbstaufgabe zu erreichen.
Kein Wort. Matt spülte einen Teller und trocknete ihn ab, dann versuchte er den Platz im Schrank zu finden, wo er hingehörte. Endlich fuhr das Auto weg. Dann stand Nick auf. Er nahm die verbleibenden Gegenstände vom Tisch und trug sie in den Küchenbereich. Er ging nicht, er bewegte sich. Eine schwerfällige Bewegung, matt und schmollend.
»Sie hat ihre Kirchengemeinde«, sagte Matt.
»Was?«
»Sie hat ihre Gemeinde. Ihren Pfarrer.«
»Wir finden eine neue Gemeinde für sie.«
»Das wird nicht dasselbe sein.«
»Wir wollen auch gar nicht, daß es dasselbe ist. Es soll anders werden. Darum geht es doch gerade.«
Matt reichte ihm ein Glas zum Abtrocknen. Eine Zeitlang arbeiteten sie wortlos, spülten das Geschirr und stellten es weg, jedes Ding an seinen Platz.
»Wie läuft's im Müllgeschäft?«
»Es boomt. Das Müllgeschäft. Wächst im Minutentakt.«
»Kein Wunder.«
»Wir können gar nicht genug Aufschüttungen errichten oder tiefe Höhlen graben.«
»Kommst du da auch rein? Kriegst das Zeug von nahem zu sehen?«
»Manchmal fahre ich vorbei. Inspektion aus der Ferne.«
»Riechst du den Geruch?«
»Ist schon vorgekommen, ja.«
»Siehst du die Ratten? Das muß doch der Planet der Ratten sein.«
Nick fand den richtigen Platz für Dessertteller im Schrank. »Hab ich dir je von der Ratte in der Stadt erzählt?«
»Glaube nicht«, sagte Matt.
»Hab drüber nachgedacht, während ich hier raufgefahren bin. Ich hatte eine Verabredung, zum Jazz, wir wollten Charles Mingus hören. Laß mich überlegen. Ich glaube, ich wohnte damals in Palo Alto und arbeitete an Lehrbüchern mit. Kam zu einer Konferenz her. Ich war vielleicht sechsundzwanzig. Ich war mit einer Deutschen verabredet, Philosophiestudentin, genau, Typus zukünftige Terroristin, jetzt, wo ich drüber nachdenke. Wir gingen irgendwo auf der Hudson Street in das Mingus-Konzert, und Mingus stand da oben, schaukelte seinen Baß und schaute jedesmal nach der Kasse, wenn sie klingelte. Mingus war groß, und er war breit. Er sah aus wie drei Männer, die sich einen Anzug teilen. Ich begleitete sie nach Hause, wir gingen zu Fuß quer durch die Stadt und weiter Richtung downtown, dann kommen wir zu ihrer Wohnung, Erdgeschoß in einem alten Haus, und gehen zur Tür hinein. Im selben Augenblick, als wir
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