Untitled
schob.
»Weiter rüber«, befahl Hank ungeduldig. Gehorsam ging ich ein paar Zentimeter weiter nach rechts und spreizte die Beine, um mir einen festen Stand zu verschaffen. Zwischen Hank und mir waren etwa dreißig Zentimeter Platz und wei tere fünfzig Zentimeter zwischen Hank und der Schaufen sterscheibe. Er steckte die Pistole in den Hosenbund und griff gierig nach dem Stapel Kochbücher. Eine Chance.
Ich beugte mich vor und warf mich mit aller Kraft gegen Hank. Ich hörte ein verblüfftes uuhml, als mein Kopf sich in seinen Bauch bohrte. Mit donnerndem Krachen sauste er in die Fensterscheibe. Ich spürte die Scheibe zerbrechen. Sie barst in riesige, hera b fallende Scherben. Ich wich zurück. Hank Dawson schrie entset z lich, als sein Körper durch das splitternde Glas brach. Die schweren Scheiben fielen herunter wie eine Guillotine.
»Ah! Ah!« schrie er. Er wand sich heulend auf dem Bür gersteig.
Am ganzen Körper zitternd kroch ich an die zerbrochene Scha u fensterscheibe. Unter mir lag Hank Dawson ausge streckt auf dem verschneiten Gehweg. Er starrte mich an.
»Ah … ah …« Er suchte verzweifelt nach Worten.
Ich setzte an: »Es tut mir leid …«
»Hören Sie«, keuchte er. »Hören Sie … sie … sie konnte schon lesen, als … sie … erst vier war …«
Und dann starb er.
»Ich schwöre dir, Goldy«, sagte Tom Schulz eine Stunde später kop f schüt telnd, »du bekommst noch mehr Schwierigkeiten.«
Der Krankenwagen, der Julian fort brachte, bog um die Ecke. Ein Schuss hatte Julian an der Wade getroffen, aber er würde sich wieder erholen. Ich hatte mehrere Prellungen, die aber nicht gefährlich waren, wie die Männer vom Rettungsdienst mir versicherten. »Außerdem schwöre ich dir«, fuhr Schulz grimmig fort, »dass ich dich und Julian das letzte Mal in einer gefährlichen Lage allein gelassen habe.«
Ich sah mich nach den Streifenwagen und Feuerwehr wagen um. Es waren wieder Wolken aufgezogen, und in einem hauchdünnen Schleier trudelten Schneeflocken aus einem Himmel, den die Straßenlaternen der Stadt in rötli ches Licht tauchten. Audrey hatte mir einige der Reize die ser Buchhandlung gezeigt. Aber es war herrlich, nun draußen in der kalten, milden Luft zu sein, vor allem um ein Uhr morgens.
»Du hast es doch nicht gewusst. Und ich habe versucht, dich a n zurufen«, sagte ich ihm.
Tom Schulz brummte.
Die Polizeibeamten aus Denver, die auf meinen Notruf g e kommen waren, hatten mir immer wieder dieselben Fra gen gestellt. »Wegen des Colleges?« fragten sie ungläubig und verblüfft. »Wegen der Klassenrangfolge?«
Ja. Ich fragte mich flüchtig, ob Direktor Perkins mit einer A n zeige zu rechnen hatte. Noten zu ändern war vermutlich nicht u n gesetzlich, auch wenn man als belastendes Indiz das Notenbuch einer Lehrerin hatte. Die einzigen Verbre chen, die mir neben Hanks bekannt waren, waren Macguire Perkins’ Drogenmissbrauch und Brad Marenskys Dieb stähle. Ich würde die beiden Jungen wohl kaum anzeigen. Beide waren unglückseligerweise nur dem Beispiel ihrer an geblichen Vorbilder gefolgt – dem ihrer Eltern.
»Und es ging darum, wer Klassenbester ist?« fragte mich ein entgeisterter Sergeant aus Denver mindestens zum sechsten Mal.
Ja. Nachdem Keith Andrews tot und die unkooperative Studie n beraterin aus dem Weg war, hätte Greer Dawson mit einem Sehr gut in Französisch, einem außer Gefecht ge setzten oder toten Julian Heather überflügeln, Klassenbe ste werden und Einzug in die Elit e schulen halten können und damit all das erreicht, was Hank für seine Tochter wünschte – und für sich.
Denn in Wahrheit ging es gar nicht darum, wer Klassen beste war. Es ging vielmehr – und das konnte einem das Herz zerreißen – darum, sein Kind zu dem Erfolg zu führen, den er selbst nicht hatte. Greer Dawson tat mir entsetzlich leid. Ich wusste, dass sie diesen Erwartungen niemals gerecht werden konnte.
»Wie kann man denn Noten kaufen?« fragte der Polizist weiter.
»Genauso wie man Drogen kauft«, antwortete ich.
»Huch«, grummelte Schulz leise. »Zynische Miss G.«
Ich bat den Polizeibeamten aus Denver, in der Elk-Park-Schule anzurufen, um den Direktor auf seltsame Nachfra gen vorzubereiten, die er möglicherweise von Eltern er halten würde, die Heather Coopersmiths Anrufe aufge schreckt hatte. Wie Alfred Perkins wohl auf dieses letzte Er eignis im dramatischen Konkurrenzkampf um die Collegezulassung
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