Untitled
tat mit der Niederschrift eines Stückes, was so gezeigt wurde, dass sie schreiweinend um ihre Schreibmaschine und durch ihr weitläufiges Anwesen raste. Kaum hat sie einen Halbsatz eingetippt, brach sie von Neuem in Tränen aus, so als würden die Tasten davon glühend heiß. Das sollte komisch wirken, aber so war das ja in echt leider auch. Und diese Haltung des Schaffenden als Freibeuter, die in Arno Schmidts Den Zimmermannsblei quer zwischen den Zähnen wie eine glühend gemachte Machete auf den Punkt gebracht war – ich hatte sie mit Verlaub als so last century, so post war generation zu befinden; denn jeder Pinselstrich, mit dem ich unsere nackten Körper sozusagen bekleidete, war tatsächlich ein Streich, aber er tat bloß mir selbst weh – der letzte, so fürchtete ich – leer geheult und vermutlich entgeisterter noch als Klopstock –, brächte mich um. Verstand oder Leben: wo war denn da noch ein Unterschied? Um den fürchterlichen Moment derVollendung hinauszuzögern, quälte ich mich mit Details – dass sich in Julias Hosentasche das damals noch eher seifenförmige iPhone 3 abzeichnen konnte. Und in der meinigen ein Space Pen. Dass an unseren Schnürstiefeln der Lack an den Ösen teils abgescheuert war und darunter das Messing schimmerte, dass wir Jeanshosen von Uniqlo trugen, Marke +J; die vier weißen Stiche an meiner Strickjacke hinten, die es freilich noch nie in Ultramarin gegeben hatte. Einmal kam es draußen zu einem Sommergewitter, und da ich ausschließlich bei Tageslicht unter der kleinen Glasluke malte, zeigte sich mir in der Verdunklung zum ersten Mal der großartige Effekt der Leuchtmoospigmente: dass unsere Augen zu strahlen begannen, während der Rest des abgebildeten Raumes in samtigem Schatten versank. Kim Carnes in Grün.
Als alles zu stimmen schien für mein sogenanntes Auge, das innere; als Licht und Schatten, Zeit und Raum, Form und Farben in eins gebracht waren von meiner Hand, nahm ich mich des Gedankens an, den ich bis dahin umgangen hatte, entschied mich gegen den Goldzahn und nahm mit der Pinzettenspitze von dem Blattgold, das in der Bain Marie still und ölig schwamm, und formte Julia um ihren schönen Finger den sichtbaren Teil eines schmalen Reifs.
Und nun? Dann steigst du halt eben die paar Treppenstufen weiter hinauf auf den Vorplatz des Schlosses und saugst etwas Leben an. Aber da waren bloß Boulekugelschubser und Kinder, die Beach Tennis spielten. Die schrien: La moto –, als die schöne Nachbarin auf dem silbernen Roller angefahren kam. Mit Tüten vom Intermarché links und rechts an den Lenker gehängt. Und mein Blick spritzte weg, hinauf an den Turm der Festung, wo unter den ochsenblutfarbenen Läden das Moos sich in Lachen die Mauern hinab verlief, was mich an den Namen der Rose erinnerte, Bernd Eichinger war ja nun auch bereits tot, und dort die Szene mit dem Essensmüll, als der Novize das Mädchen begehrte: Das war Liebe für mich. Was wäre eigentlich aus der Recherche geworden, wenn Albertine ihren Sturz vom Pferd überlebt hätte?
Mit einem Anruf aus Frankfurt überraschte sie mich. Julia war auf dem Weg nach Nizza zu einem Kongress und freilich, natürlich, wie auch sonst, wollte ich sie sehen. Sehr gerne. Sehr!
Wir hatten uns nicht abgesprochen, aber als wir uns auf dem großen Platz unter dem Wappen entgegengehen, nicht eilen, haben wir beide von Kopf bis Fuß noch immer dasselbe an.
Julia hat sich davongestohlen. Und ich bringe es stockend hervor, weil es mir direkt eingegeben wird: Ich bin ein Poet der Stille und der Einsamkeit. Mein Glück sieht sich im leeren Wunsch bereits erfüllt.
Und sie lacht und wir umarmen uns.
Ich bin so froh, dass du dich gefunden hast, sagt Julia. Ja, sage ich. In dir.
Danksagung
Danke an Beate, Philomene und Jan für alles
und an Jup Holter für fachlichen Rat.
Das Buch
Die Liebe in den Zeiten moderner Kommunikationstechnologien
Er schreibt über Mode, sie ist eine Philosophin. Bei einem wildfremden Bekannten begegnen sie sich am Bücherregal, entdecken ihre gemeinsame Liebe zur Antike – und dann ist nichts mehr, wie es war, nur sie leider immer noch verheiratet.
Joachim Bessing schreibt in seinem zweiten Roman über die Liebe. Wie man da reingerät, was einen dort festhält, warum die Liebe wie ein Labyrinth sein kann. Sein Held, der all der Schauen, Events und Reiserei längst überdrüssig ist, lebt als Heimatloser auf angenehm unabsehbarer Suche nach etwas, für das es sich zu bleiben lohnt. Dann
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