Isarblues: Der dritte Fall für Max Raintaler (German Edition)
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Englischer Garten, Tennisanlage
im Grünen unweit des mittleren Rings, später Sonntagnachmittag, Mitte August. Exkommissar
Max Raintaler konzentrierte sich auf den Ballwurf. Sein nächster Aufschlag durfte
auf keinen Fall daneben gehen. Er musste jetzt unbedingt punkten, sonst wäre das
Match gleich aus und vorbei. Sein Gegner und alter Freund, der Musikproduzent Heinz
Brummer lag zwei zu eins in Sätzen vorne. Im vierten Satz stand es sechs zu sechs
und im vielleicht schon alles entscheidenden Tiebreak führte Heinz sechs zu fünf.
Er hatte also Satzball und gleichzeitig Matchball. Im Grunde genommen eine aussichtslose
Situation für Max, rein statistisch gesehen. Doch manchmal wurde der Gegner so kurz
vor Schluss auch nervös und konnte den Sack einfach nicht zumachen. Das stärkte
dann wiederum den Zurückliegenden, und am Ende drehte der das gesamte Spiel sogar
noch völlig um. Und gewann sogar. Der Australier Lleyton Hewitt zum Beispiel hatte
das schon einige Male eindrucksvoll demonstriert.
Max hatte
so gesehen den Vorteil des nächsten Aufschlags auf seiner Seite. Aber auch gleichzeitig
den Druck, diesen unbedingt durchbringen zu müssen. Knifflige Sache. Egal, konzentrier
dich. Wird schon schief gehen, Raintaler. Am besten versuchst du es hart durch die
Mitte. Er wusste, dass sein Gegner auf der Vorhand schwächer war als auf der Rückhand.
Langsam ließ er die gelbe Filzkugel ein paar Mal vor sich auf dem Boden auftippen.
Jetzt bloß nichts falsch machen. Den Ball aus der fließenden Bewegung heraus nach
oben werfen, sodass er sich knapp vor seiner vertikalen Körperachse geradewegs ins
Blau über der bayrischen Metropole schraubte. Dann den Schläger von ganz hinten
über den Kopf hinweg kommen lassen und dabei gleichmäßig schwungvoll durchziehen.
Mit einem kurzen Blick kontrollierte er noch einmal den Punkt in Heinz’ Aufschlagfeld,
den es zu treffen galt. Wie ein Bogenschütze versuchte er dabei, eins mit seinem
Ziel zu werden. Er atmete langsam aus, um seinen Puls zu senken. Dann war er soweit.
Er zog voll durch und traf genau auf das Kreuz der gegenüberliegenden T-Linie. Ass!
»Ja! Ja,
ja, ja!« Die Hand zur Beckerfaust geballt, ließ Max die ganze Spannung aus sich
heraus. »Ja, Raintaler, so ist es richtig. So ist es gut. Ja, Herrschaftszeiten!
Geil!«
»Six all!«,
hörte man es vom Schiedsrichterstuhl. »Super, Max! Häng dich rein! Du schaffst es
noch!« Obwohl sie an diesem herrlichen Sonntagnachmittag eigentlich lieber zum Baden
an den Starnberger See gefahren wäre, hatte sich Max’ hübsche Teilzeitfreundin Monika
bereit erklärt, als Unparteiische zu fungieren. Sonst hätte es nur wieder Streit
zwischen ihm und Heinz gegeben. Und bisher hatte die dunkelhaarige Thalkirchener
Kneipenwirtin das seit gut zwei Stunden andauernde Match auch souverän im Griff.
Nur heiß war ihr. Da half auch der großrandige hellbraune Sonnenhut aus Stroh, den
sie aufgesetzt hatte, nicht viel. Sechs zu sechs, also. Max hatte noch einen Aufschlag.
Wenn er den genauso lässig durchbrachte wie den vorherigen, waren die Karten völlig
neu gemischt. Er zog noch einmal mit aller Kraft durch – und – noch ein Ass! Sieben
zu sechs, Raintaler. Dann legte er bei Aufschlag Brummer noch einen klaren Returnwinner
dank einer flach über das Netz gepeitschten Longline-Vorhand nach. Acht zu sechs
für Max. Er entschied damit den vierten Satz für sich. Spielstand zwei zu zwei in
Sätzen. Jetzt war es erst einmal höchste Zeit für eine längere Pause. Schließlich
standen hier zwei Freizeitspieler auf dem Platz und keine austrainierten Superprofis.
»Wahnsinn!
Holt der Bursche sich doch noch den Satz! Das hätte ich ja nicht gedacht«, staunte
Heinz, der sich schon als Gewinner gesehen hatte, als sie erschöpft nebeneinander
auf der kleinen weißen Bank am Spielfeldrand saßen. Wenn er sich gerade durchgesetzt
hätte, wäre es sein erster Sieg gegen den deutlich schlankeren Max gewesen.
»Tja, das
Spiel ist erst zu Ende, wenn es zu Ende ist, Heinz«, philosophierte der, zufrieden
grinsend. »Sollen wir den fünften Satz noch spielen oder lassen wir es für heute
gut sein, bevor wir noch einen Hitzschlag kriegen und tot umfallen? Es ist wirklich
verdammt heiß.«
»Von mir
aus können wir gerne aufhören! Ich bin völlig fertig. Lass uns den letzten Satz
das nächste Mal spielen. Außerdem ist es fünf vorbei und ich habe Durst.« Der korpulente,
großgewachsene Heinz trocknete mit einem kleinen Handtuch sein
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