Unvergessen wie Dein Kuss
streng”, sagte Isabella. “Es muss doch einen Mann geben, der dir gefällt.” Sie wies mit der Hand durch den Ballsaal. “Sir Edmund Garston zum Beispiel? Er sieht sehr gut aus.”
Pen ließ ihren Blick über den dandyhaften Baronet gleiten, der gerade ein kleines Fernglas an die Augen führte und die golddurchwirkte Spitze bei einer vorübergehenden Lady beäugte. “Nein”, antwortete sie. “Er ist zu verweichlicht. Er würde einem viel über Seiden
taft
, aber nichts über Leiden
schaft
beibringen.”
Isabella lachte. “Eine nette Zusammenfassung.”
Um sie herum wogte das Stimmengewirr auf und ab. Das Orchester spielte gerade einen Strathspeytanz mit viel Begeisterung und ebenso vielen falschen Tönen. Die Ladies beobachteten Isabella und stellten Vermutungen darüber an, warum Lord Augustus sie so schnell im Stich gelassen hatte. Daran war sie gewöhnt. Wenn man wie sie Gegenstand der Neugierde war, so sprachen die Leute selten unmittelbar mit einem. Stattdessen klatschten sie über sie, als ob sie gar nicht anwesend wäre.
Isabella stieß innerlich einen Seufzer aus. Ernests Schurkerei war das Einzige, womit er sie in großzügiger Weise bedacht hatte.
Das Flüstern einer der Klatschbasen drang dennoch an ihre Ohren.
“Offenbar hat man auch versucht, ihr das Kind wegzunehmen … Sie hat gesagt, dass sie keine Kinder mehr wollte. Als Mutter ist sie völlig ungeeignet … Kein Wunder, dass das arme kleine Mädchen gestorben ist.”
Das schnitt wie ein Glassplitter in ihr Herz. Isabella drehte sich etwas zu schnell um. War das wirklich ein Geflüster gewesen oder eher ihre bittere Erinnerung? Solche Worte verfolgten sie in Albträumen – selbst jetzt noch, sechs Jahre nach Emmas Tod …
Isabella ließ ihren Blick über die wippenden Hutfedern und die klatschsüchtigen Gesichter unter den Turbanen gleiten. Die Matronen lächelten und nickten ihr zu, aber ihre Augen waren eiskalt. Dann erhob die verwitwete Lady Burgoyne ihre Stimme etwas.
“Wir haben uns gefragt, Königliche Hoheit, ob Sie eine Zeit lang in London zu weilen gedenken oder ob Sie in Kürze einen anderen Aufenthaltsort wählen möchten?”
Die Frage wurde begleitet von Gekicher und aufgeregtem Fächerschlag. Unter dem Gewicht der sich hin und her bewegenden Matronen knarrten die zierlichen, goldweißen Ledersessel, denn die Damen konnten vor Schadenfreude kaum stillsitzen. Wie schön es doch war, eine der ihren zu quälen, weil sie es gewagt hatte, die Grenze der Schicklichkeit zu überschreiten! “Wenn Sie doch nur an Ihrem Platz geblieben wären”, schienen sie zu sagen. “Sie wollten zu hoch hinaus, und nun werden wir Sie bestrafen.”
“Durchlaucht”, sagte Pen laut. “Fürstin Isabella ist eine Durchlauchtigste Hoheit, keine Königliche Hoheit.” Sie war vor schwesterlicher Entrüstung ganz rot geworden.
Isabella legte sanft ihre Hand auf Pens Arm. Die schmerzhafte Bemerkung über Emma tat ihr im Herzen weh, und sie atmete mehrmals tief ein und aus, um sich wieder zu beherrschen.
“Vielleicht geht die Fürstin auch an jeden Ort, an den Lord Augustus sie mitnimmt”, schaltete sich die üppig gepolsterte Duchess of Plockton ein. Mit ihrem Schildkrötengesicht sah sie über den Ballsaal hinweg und erblickte Augustus, der mit seiner Debütantin tanzte. “Oh, Lord Augustus hat eine neue Neigung entdeckt!” Dann fiel ihr Blick wieder auf Isabella. “Vielleicht haben Sie auch schon einen neuen … Gefährten gefunden, Fürstin? Sie verlieren nie viel Zeit, oder?”
Die Musik verstummte; und im Ballsaal trat Stille ein. Dann sprach Isabella mit der Klarheit einer gut gestimmten Glocke.
“Vielen Dank für Ihr Interesse an meinen Angelegenheiten, Duchess, Lady Burgoyne. Sie werden sicher enttäuscht sein zu erfahren, dass ich gegenwärtig kaum Neigungen verspüre, irgendeinem Gentleman näherzukommen, und besonders nicht, während ich hier im Lande bin. Wie Sie vielleicht wissen, sind die Engländer die schlechtesten Liebhaber auf der ganzen Welt.”
Einen Augenblick lang geschah nichts; es war wie die Stille vor dem Sturm. Und dann hörte man, wie alle vor Empörung tief Atem holten, ehe sich die erboste Gefühlsaufwallung in immer größeren Kreisen im Saal zu verbreiten begann.
Isabella lächelte zufrieden. Das konnte sich die Duchess of Plockton hinter die Ohren schreiben. Manchmal war es sehr befriedigend, skandalträchtig zu sein.
Auf der anderen Seite des Ballsaales hatte jemand Isabellas Worte bereits in
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