Unvergessen wie Dein Kuss
nichts zu befürchten.”
Nichts zu befürchten.
Sie zitterte immer noch, und die Worte gingen ihr beständig durch den Kopf.
Ihr Anwalt Mr Churchward hatte ihr bemerkenswert unverblümt mitgeteilt, dass sie unter drei Möglichkeiten wählen könne: Heirat, Exil oder Schuldgefängnis. Keine dieser Möglichkeiten war angenehm.
Sie hatten im Wohnzimmer von Isabellas Haus im Brunswick Gardens gesessen, als Churchward ihr die Nachricht von Ernests Schulden überbrachte. Trotz aller Offenheit war Mitgefühl in dem, was der Anwalt ihr sagte, so als ob eine so heikle Angelegenheit eigentlich nicht für die Ohren einer Dame bestimmt war. Isabella wusste seine Rücksichtnahme zu schätzen, und als sie weder ohnmächtig wurde noch in große Unruhe verfiel, schien Churchward unendlich erleichtert.
Eine Fackel brannte am Ende des Ganges. Der Kerkermeister öffnete eine schwere Tür, die vernehmlich über den Boden schleifte und quietschte, als ob sie selten benutzt wurde. Er trat einen Schritt zurück und ließ Isabella vorgehen. Die Luft war hier frischer, enthielt aber noch das Aroma von Tabak, Schweiß und abgestandenem Essen.
Der Kerkermeister hielt vor einer Zellentür, spie auf den Boden und wischte sich dann hastig mit dem Handrücken über den Mund, als ihm klar wurde, dass er mit einer Dame sprach. “Hier ist es, Ma’am. Das ist genau der Mann für Sie, John Ellis. Wie man mir sagte, ist er von adliger Herkunft, gesund und völlig mittellos.”
Von irgendwo aus den Verliesen des Gefängnisses drang ein entsetzlicher Schrei an Isabellas Ohr. Ein Schauder erfasste sie, und sie zwang sich, dem Kerkermeister zuzuhören. Sie wusste, dass sie Fragen stellen musste. Wenn sie sich nur nicht so hartherzig und berechnend vorgekommen wäre! Sie war dabei, mit dem Rest ihres Geldes das Leben eines Mannes zu kaufen. Ihre Freiheit erkaufte sie sich zum Preis seiner Einkerkerung.
In der Theorie war ihr dieser Plan als gut durchführbar erschienen: ein sauberer, wenngleich rücksichtsloser Handel. Isabella würde einen Gefangenen dafür bezahlen, dass er ihre Schulden übernahm. Er wäre hinter Gittern, und sie wäre frei. Da es sich aber plötzlich um eine Person aus Fleisch und Blut handelte, nahm der Plan seltsam unheimliche Züge an. Dennoch – es war entweder sein Leben oder ihres …
“Hat er … Familie oder Freunde?”, fragte sie zögernd.
Der Kerkermeister grinste schief. Er begriff, was sie wissen musste. “Nein, Ma’am. Es gibt niemanden, der ihn auslösen könnte, und er kann sicherlich dazu überredet werden, Ihre Schulden auch noch zu nehmen. Er hat dabei nichts zu verlieren.”
“Wie lange ist er schon hier?” Nun da sie im Begriff war, den Handel abzuschließen, zögerte sie und erwog, die Angelegenheit aufzuschieben.
“Fast drei Monate, und soweit ich weiß, soll er für den Rest seines Lebens hier bleiben.” Der Kerkermeister sah sie von der Seite an. “Wollen Sie es sich nochmal überlegen?”
“Nein danke”, erwiderte Isabella. “Ein auf Dauer abwesender Gatte ist genau das, was ich brauche.”
Die Zellentür wurde heftig aufgestoßen, und ein anderer Kerkermeister kam stolpernd heraus, rutschte auf dem schmierigen Fußboden aus und verschüttete das Essen, das er auf dem Tablett trug. Er fluchte leise. Die dünne Suppe schwappte über und ergoss sich auf Isabellas Umhang.
“Und kommen Sie erst dann wieder, wenn Sie mir etwas Essbares anbieten können”, rief eine männliche Stimme aus der Zelle. Es war eine angenehme Stimme, aber sie hatte einen leicht drohenden Unterton.
“Ist das Ihr Mr Ellis?”, fragte Isabella trocken, als es von innen gegen die Zellentür schlug, wie um den Worten Nachdruck zu verleihen. “Es hört sich ja an wie der Teufel selbst.”
“Ja, ja, John Ellis ist ein übellauniger Geselle”, gab der Kerkermeister zur Bestätigung zurück. “Aber Sie brauchen sich darüber keine Sorgen zu machen, Ma’am.”
“Wenn ich mir vorstelle, dass ich hier eingekerkert wäre, dann hätte ich auch üble Laune”, sagte Isabella verständnisvoll. Sie sah sich um und zitterte etwas. “Das Beste ist, wir bringen es schnell hinter uns.”
Die Zelle war düster. Sie wurde nur schwach von einem hoch angebrachten vergitterten Fenster erhellt. Isabella erschreckte es sehr, dass dieser “bessere” Gentleman sich nicht einmal eine eigene Zelle leisten konnte. Er musste wirklich arm sein. Dann kam ihr der Gedanke, dass es im Haus des Gefängnisdirektors sicher geräumigere
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