Unwiderstehlich
Krankenhaus und die Prognose des Doktors so gestärkt, dass sie bereit war, sich erneut in die Arbeit zu stürzen.
„Alle sagen immer, dass dein Vater Ähnlichkeit mit Harrison Ford hat“, schwärmte ihre Mutter, die zwar müde aussah, aber doch zum ersten Mal seit Langem wieder mit sich im Reinen zu sein schien.
„Ich sehe allerdings besser aus als Harrison“, scherzte ihr Vater.
Sie lächelte über die vertraute Neckerei, verabschiedete sich und ließ ihre Eltern mit „Indiana Jones“ allein. Doch während sie den Flur hinunterging, wurde ihr Herz immer schwerer. Die Worte ihres Vaters gingen ihr nicht aus dem Kopf: Ich glaube an dich. Du hast alles unter Kontrolle . Und was ist, wenn ich gar nichts unter Kontrolle habe? Der Gedanke verbot sich von selbst!
Ich kriege das hin, sagte sie sich. Ich habe ein brillantes Marketingkonzept und ein tolles Team, das darauf brennt, mit mir neue Wege zu gehen. Na, dann war doch alles prima, oder nicht? Sie hatte alles unter Kontrolle!
Wie ein Mantra sprach sie sich diese Worte vor, bis sie ihr Auto erreicht hatte. Sie wühlte in ihrer Tasche nach dem Schlüsselbund, konnte ihn aber nicht finden. Schließlich leerte sie den gesamten Tascheninhalt auf der Motorhaube aus. Zum Glück hatte sie gleich neben der Einfahrt geparkt und eine Straßenlaterne spendete genug Licht zum Suchen. Der Schlüssel war nicht da. Von einer bösen Vorahnung ergriffen, presste sie ihr Gesicht an die getönte Fensterscheibe und spähte ins Innere des Wagens. Ja, tatsächlich, die Autoschlüssel lagen auf dem Sitz. Frustriert schloss sie die Augen, und wieder hörte sie die Worte ihres Vaters: Ich glaube an dich. Du hast alles unter Kontrolle . Von wegen. Sie konnte ja noch nicht mal auf ihren Schlüssel aufpassen. Sie hatte sich aus ihrem eigenen Auto ausgesperrt.
Sie wusste nicht genau, wie lange sie so dastand, doch als sie endlich den Kopf hob, waren ihre Wangen tränenüberströmt. Wütend wischte sie sie ab. Schließlich hatte sie vorher auch nicht geweint, nicht, als ihr Vater seine Diagnose bekam, nicht, als sie herausfand, wie katastrophal es um die Firma stand, nicht, als sie alles, wofür sie jahrelang gearbeitet hatte, hinter sich ließ, um das Geschäft zu übernehmen.
Sie war jetzt einfach nur erschöpft, körperlich wie seelisch, mehr nicht. Und ja, sie hatte Angst. Angst zu versagen, Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Aber all das war kein Grund, in Tränen auszubrechen. Sie hatte schließlich keinen Krebs. Sie musste nicht um ihr Leben kämpfen. Höchste Zeit also, sich zusammenzureißen und etwas zu unternehmen, statt hier herumzujammern wie ein kleines Mädchen.
Sie griff zum Handy und überlegte, wen sie anrufen könnte. Auf keinen Fall wollte sie wieder ins Krankenhaus zurückgehen und ihre Eltern stören.
Am besten wäre wohl der Pannendienst, dachte sie. Die waren schließlich für solche Fälle da. Warum ging sie also stattdessen die Liste ihrer Kontakte durch? Und warum blieb Ihr Blick an Ryans Nummer hängen? „Ich glaub einfach nicht, dass ich das jetzt wirklich mache“, murmelte sie und rief ihn an.
Für einen Rückzieher blieb keine Zeit, schon nach einem Klingeln hörte sie seine markante männliche Stimme: „Hallo?“ Sarah schnappte nach Luft. Was fiel ihr eigentlich ein? Er konnte bei der Arbeit sein, bei einer Frau oder in seinem Club. Sie musste auflegen.
„Sarah?“
Verflixt, er hatte natürlich ihre Nummer abgespeichert. „Ja … ich … mein Auto“, sie schluckte und versuchte verzweifelt, ihre Gedanken zu ordnen. „Ich habe meine Schlüssel verloren und …“
Offenbar reichten ihm diese paar für sie ganz untypisch wirren Informationen. „Wo bist du?“
„Auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus, in dem mein Vater behandelt wird.“ Sie ließ ihren Blick über den Parkplatz schweifen. „Reihe eins A, ganz vorne neben der Einfahrt.“
„Ich bin in ein paar Minuten da.“
Er legte auf. Was hatte sie nur getan? Sarah lehnte sich an ihr Auto und wartete erneut auf eine Panikattacke. Doch stattdessen wirbelten wieder Worte durch ihren Kopf, und diesmal hörte sie nicht ihren Vater, sondern Ryan. Wenn du dich deinen Ängsten stellst, dann macht dich das stärker. Es gibt dir eine ganz neue, eigene Art der Kontrolle.
Als Ryans schwarzer Porsche neben ihr hielt und er die Beifahrertür öffnete, zögerte sie keine Sekunde. Sie stieg ein, ließ sich auf den Sitz fallen und zog die Tür zu. Sein würziger, intensiver Duft stieg ihr in
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