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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sah er, daß Witwe Hansen mit dem Frühstückstablett eingetreten war. Man begrüßte sich, und nach der selbstverständlichen Frage, wie der Herr Graf geschlafen und was er geträumt habe, »denn der erste Traum gehe immer in Erfüllung«, legte die Hansen das Tuch und baute dann alles, was eben noch auf dem Tablett gestanden hatte, auf dem Frühstückstisch auf. Holk musterte die ganze Herrlichkeit und sagte dann: »Man ist doch nirgends besser aufgehoben als bei Witwe Hansen; es lacht einen alles an, alles so blink und blank und am meisten Witwe Hansen selbst. Und das chinesische Geschirr zu dem Tee! Man merkt an allem, daß Ihr Seliger ein Chinafahrer war, und Ihr Schwiegersohn, wie mir Baron Pentz gestern abend erzählt hat, ist es auch und heißt auch Hansen; derselbe Name, derselbe Titel, so daß es einem passieren kann, Mutter und Tochter zu verwechseln.«
    »Ach, Herr Graf«, sagte die Hansen, »wer soll uns verwechseln? Ich, eine alte Frau, mit einem langen und schwerer Leben...«
    »Nun, nun.«
    »... Und Brigitte, die morgen erst dreißig wird! Aber Sie dürfen mich nicht verraten, Herr Graf, daß ich es gesagt habe und daß morgen Brigittens Geburtstag ist.«
    »Verraten? Ich? Ich bitte Sie, Frau Hansen... Aber Sie stehen so auf dem Sprunge; das nimmt mir die Ruhe. Wissen Sie was, Sie müssen sich zu mir setzen und mir etwas erzählen, vorausgesetzt, daß ich Sie mit dieser Bitte nicht in Ihrer Wirtschaft oder in noch Wichtigerem störe.«
    Die Hansen tat, als ob sie zögere.
    »Wirklich, lassen Sie dies Ihren ersten Besuch sein, den Sie mir in Ihrer Güte ja regelmäßig machen; ich habe ohnehin so viele Fragen auf dem Herzen. Bitte, hier, hier auf diesen Stuhl, da seh ich Sie am besten, und gut sehen ist das halbe Hören. Ich hörte sonst so gut, aber seit kurzem versagt es dann und wann; das sind so die ersten Alterszeichen.«
    »Wer's Ihnen glaubt, Herr Graf. Ich glaube, Sie hören alles, was Sie hören wollen, und sehen alles, was Sie sehen wollen.«
    »Ich seh und höre nichts, Frau Hansen, und wenn ich etwas gesehen habe, so vergeß ich es wieder. Freilich nicht alles. Da hab ich gestern abend Ihre Frau Tochter gesehen, Brigitte nannten Sie sie; zum Überfluß auch noch ein wundervoller Name. Nun, die vergißt man nicht wieder. Sie können stolz sein, eine so schöne Tochter zu haben, und nur den Ehemann begreif ich nicht, daß er seine Frau hier in aller Ruhe zurückläßt und zwischen Singapor und Shanghai hin-und herfährt. So nehm ich wenigstens an, denn da fahren sie so ziemlich alle. Ja, Frau Hansen, solche schöne Frau, mein ich, die nimmt man mit vom Nordpol bis an den Südpol, und wenn man's nicht aus Liebe tut, so tut man's aus Angst und Eifersucht. Und ich für mein Teil, soviel weiß ich, ich würde mir immer sagen, man muß auch von der Jugend nicht mehr verlangen, als sie leisten kann. Nicht wahr? In diesem Punkte, denk ich, sind wir einig; Sie denken auch so. Also warum nimmt er sie nicht mit? Warum bringt er sie in Gefahr? Und natürlich sich erst recht.«
    »Ach, das ist eine lange Geschichte, Herr Graf...«
    »Desto besser. Eine Liebesgeschichte dauert nie zu lang, und eine Liebesgeschichte wird es doch wohl sein.«
    »Ich weiß nicht recht, Herr Graf, ob ich es so nennen kann; es ist wohl so was dabei, aber eigentlich ist es doch keine rechte Liebesgeschichte... bloß daß es eine werden konnte.«
    »Sie machen mich immer neugieriger... Übrigens ein kapitaler Tee; man merkt auch daran den Chinafahrer, und wenn Sie mir eine besondere Freude machen wollen, so gestatten Sie mir, Ihnen von Ihrem eigenen Tee einzuschenken.«
    Damit stand er auf und nahm aus einer in der Nähe des Fensters stehenden Etagère eine Tasse heraus, darauf in Goldbuchstaben stand: Dem glücklichen Brautpaare. »Dem glücklichen Brautpaare«, wiederholte Holk. »Wem gilt das? Vielleicht Ihnen, liebe Frau Hansen; Sie lachen... Aber man ist nie zu alt, um einen vernünftigen Schritt zu tun, und das Vernünftigste, was eine Witwe tun kann, ist immer...«
    »Eine Witwe bleiben.«
    »Nun meinetwegen, Sie sollen recht haben. Aber die Geschichte, die Geschichte. Kapitän Hansen, Ihr Schwiegersohn, wird doch wohl ein hübscher Mann sein, alle Kapitäne sind hübsch, und Frau Brigitte wird ihn doch wohl aus Liebe genommen haben.«
    »Das hat sie, wenigstens hat sie mir nie was anderes gesagt, außer ein einziges Mal. Aber das war erst später, und ich spreche jetzt von damals, von der ersten Zeit, als sie sich eben

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