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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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berühre; mir fällt eben ein, Sie waren selbst die Veranlassung zu dem Duell. Offen gestanden, ich wüßte gern mehr davon. Aber nicht heute, das ist Frauensache.«
    Holk wollte seine Diskretion versichern, und daß er Dinge, die nicht direkt für ihn gesprochen würden, überhaupt gar nicht höre; die Prinzessin blieb aber bei ihrem Satz und sagte: »Nein, nichts heute davon, verschieben wir's! Und dann Diskretion, lieber Holk, das ist ein langes und schweres Kapitel. Ich beobachte diese Dinge nun seit fünfundfünfzig Jahren, denn mit fünfzehn wurd ich schon eingeführt.«
    »Aber Königliche Hoheit werden sich doch der Diskretion Ihrer Umgebung versichert halten.«
    »Gott sei Dank, nein« erwiderte die Prinzessin. »Und Sie können sich gar nicht vorstellen, mit wieviel Ernst ich das sage. Diskretion à tout prix kommt freilich vor, aber gerade wenn sie so bedingungslos vorkommt, ist sie furchtbar; sie darf eben nicht bedingungslos auftreten. Die Menschen, und vor allem die Menschen bei Hofe, müssen durchaus ein Unterscheidungsvermögen ausbilden, was gesagt werden darf und was nicht; wer aber dies Unterscheidungsvermögen nicht hat und immer nur schweigt, der ist nicht bloß langweilig, der ist auch gefährlich. Es liegt etwas Unmenschliches darin, denn das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache, und wir haben sie, um zu sprechen... Ich weiß, daß ich meinerseits einen ausgiebigen Gebrauch davon mache, aber ich schäme mich dessen nicht, im Gegenteil, ich freue mich darüber.«
    In dem zweiten Wagen hatte man ähnliche Begegnungen und Begrüßungen gehabt; aber das Hauptgespräch drehte sich doch um Holk, bei welcher Gelegenheit Pentz von dem Fräulein von Rosenberg erfahren wollte, wie der Graf ihr bei Vormittagsaudienz eigentlich gefallen habe. Erichsen mischte sich in diese Fragen und Antworten nicht mit ein, hörte doch aufmerksam zu, weil er solche Schraubereien sehr liebte, vielleicht um so mehr, je mehr er seine persönliche Unfähigkeit dazu empfand.
    »Er ist ein Schleswig-Holsteiner«, sagte Ebba. »Die Deutschen sind keine Hofleute...«
    Pentz lachte. »Da merkt man nun aber wirklich, meine Gnädigste, daß Dänemark nicht des Vorzugs genießt, Sie geboren zu haben. Die Schleswig-Holsteiner keine Hofleute! Die Rantzaus, die Bernstorffs, die Moltkes...«
    »Waren Minister, aber keine Hofleute.«
    »Das ist aber doch nahezu dasselbe.«
    »Mitnichten, mein lieber Baron. Ich lese viel Geschichte, wenn auch nur aus französischen Romanen, aber für eine Hofdame muß das ausreichen, und ich wage die Behauptung, ein Gegensatz existiert zwischen einem Minister und einem Hofmann. Wenigstens dann, wenn jeder seinen Namen ehrlich verdienen soll. Die Deutschen haben ein gewisses brutales Talent zum Regieren – gönnen Sie mir das harte Beiwort, denn ich kann die Deutschen nicht leiden –, aber gerade weil sie zu regieren verstehen, sind sie schlechte Hofleute. Das Regieren ist ein grobes Geschäft. Fragen Sie Erichsen, ob ich recht habe...«
    Dieser nickte gravitätisch, und das Fräulein, das lachend darauf hinwies, fuhr fort: »Und das alles paßt mehr oder weniger auch auf den Grafen. Es ließe sich vielleicht ein Minister aus ihm machen...«
    »Um Gottes willen...«
    »... Aber der Kavalier einer Prinzessin zu sein, dazu fehlt ihm nicht mehr als alles. Er steht da mit der Feierlichkeit eines Oberpriesters und weiß nie, wann er lachen soll. Und dies ist etwas sehr Wichtiges. Unsere gnädigste Prinzessin, ich denke, daß wir einig darüber sind, hat einige kleine Schwächen, darunter auch die, sich auf die geistreiche Frau des vorigen Jahrhunderts hin auszuspielen. Sie hat in Folge davon eine Vorliebe für ältere Anekdoten und Zitate und verlangt, daß man beide nicht bloß versteht, sondern sie auch zustimmend belächelt. Aber von diesem Abc der Sache hat der Graf keine Vorstellung.«
    »Und das haben Sie während einer Audienz von kaum zehn Minuten dem armen Grafen alles von der Stirn gelesen?«
    »Ich weiß nicht, ob ich diesen Ausdruck gelten lassen darf, denn das Wesentliche lag darin, daß ihm, all die Zeit über, überhaupt nichts von der Stirne zu lesen war. Und das ist das schlimmste. Da sprach beispielsweise die Prinzessin von König Heinrich dem Vierten und kam auf das ›Huhn im Topf‹, von dem man füglich nicht mehr sprechen sollte. Aber gerade weil es so schwach mit diesem Huhn steht, hat ein Hofmann doppelt die Verpflichtung, zu lächeln und nicht leblos dabeizustehen und

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