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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Weltordnung in den innigsten Zusammenhang zu bringen, und der im gewöhnlichen Verkehr über diese Dinge nur schwieg, weil es ihm eine zu heilige Sache war. Er war in diesem Punkte für Wiedereinführung aller nur möglichen Mittelalterlichkeiten, und einer je strengeren Ahnenprobe man ihn und die Seinen unterworfen hätte, je lieber wäre es ihm gewesen, denn um so glänzender wäre sein Name daraus hervorgegangen. Seine leichten und angenehmen, auch die bürgerliche Welt befriedigenden Umgangsformen waren nichts als ein Resultat seines sich Sicherfühlens in dieser hochwichtigen Angelegenheit. Aber so sicher er über seinen eignen Stammbaum war, so zweifelvoll verhielt er sich gegen alle andern, die fürstlichen Häuser nicht ausgeschlossen, was denn auch Grund war, daß man über all derlei Dinge sehr frei mit ihm sprechen konnte, wenn nur die Holks außer Frage blieben. Und so geschah's denn auch heute, daß er sich von dem ersten Schreck, den ihm der schwedische Rosenberg mit seinem unheimlichen Epitheton ornans eingejagt hatte, nicht nur rasch erholte, sondern es sogar höchst pikant fand, diese doch in der Mehrzahl der Fälle nicht leicht genug zu nehmende Frage von einer augenscheinlich so klugen Person auch wirklich leicht behandelt zu sehen.
     
Vierzehntes Kapitel
     
    Der Weg, den man einzuschlagen hatte, lief am Ostrande des Tiergartens hin, meist unter hochstämmigen Platanen, deren herabhängende, vielfach noch mit gelbem Laub geschmückten Zweige die Aussicht derart hinderten, daß man der inmitten einer lichten Waldwiese stehenden »Eremitage« erst ansichtig wurde, als man aus der Platanenallee heraus war. Für die beiden vorderen Paare, die diese Szenerie längst kannten, bedeutete das wenig, Holk und das Fräulein aber, die des Anblicks zum ersten Male genossen, blieben unwillkürlich stehen und sahen fast betroffen auf das in einiger Entfernung in den klaren Herbsthimmel aufragende, von allem Zauber der Einsamkeit umgebene Schloß. Kein Rauch stieg auf, und nur die Sonne lag auf der weiten, mit einem dichten, immer noch frischen Gras überdeckten »Plaine«, während oben, am stahlblauen Himmel, Hunderte von Möwen schwebten und in langem Zuge, vom Sunde her, nach dem ihnen wohlbekannten, weiter landeinwärts gelegenen Fure-See hinüberflogen.
    »Ihr Schloß auf der Düne kann nicht einsamer sein«, sagte das Fräulein, als man jetzt einen schmalen Pfad einschlug, der, quer über die Wiese hin, beinahe gradlinig auf die Eremitage zuführte.
    »Nein, nicht einsamer und nicht schöner. Aber so schön dies ist, ich möchte dennoch nicht tauschen. Diese Stelle hier bedrückt mich in ihrer Stille. In Holkenäs ist immer eine leichte Brandung, und eine Brise kommt von der See her und bewegt die Spitzen meiner Parkbäume. Hier aber zittert kein Grashalm, und jedes Wort, das wir sprechen, klingt, als wenn es die Welt belauschen könne.«
    »Ein Glück, daß wir nicht Schaden dabei nehmen«, lachte das Fräulein, »denn eine mehr für die Öffentlichkeit geeignete Unterhaltung als die unsere kann ich mir nicht denken.«
    Holk war nicht angenehm berührt von dieser Entgegnung und stand auf dem Punkt, seiner kleinen Verstimmung Ausdruck zu geben; aber ehe er antworten konnte, hatte man die breiten Stufen der Freitreppe erreicht, die zu dem Jagdschlosse hinaufführte. Vor derselben stand ein zugleich als Kastellan installierter alter Waldhüter, und an diesen, der respektvoll seine Kappe gezogen hatte, trat jetzt die Prinzessin heran, um ihm Ordres zu geben. Diese gingen zunächst dahin, oben, im großen Mittelsaale, den Kaffee servieren zu lassen. Das sprach sie mit lauter Stimme, so daß jeder es hören konnte. Dann aber nahm sie den Waldhüter noch einen Augenblick beiseite, um eine weitere Verabredung mit ihm zu treffen. »Und nicht später als fünf«, so schloß sie das geheim geführte Gespräch. »Der Abend ist da, man weiß nicht wie, und wir brauchen gute Beleuchtung.«
    Der Alte verneigte sich, und die Prinzessin trat gleich danach in das Schloß ein und stieg, auf die Schimmelmann sich stützend, in den oberen Stock hinauf.
    Hier, im Mittelsaale, hatten dienstbeflissene Hände bereits hohe Lehnstühle um einen langen eichenen Tisch gerückt und die nach Ost und West hin einander gegenüberliegenden Balkonfenster geöffnet, so daß die ganze landschaftliche Herrlichkeit wie durch zwei große Bilderrahmen bewundert werden konnte. Freilich die das Schloß unmittelbar und nach allen Seiten hin

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