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Urmel im Vulkan

Urmel im Vulkan

Titel: Urmel im Vulkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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öfföff. Tintenklecksfee, Schuhschnabelfee...«
    »Vogelfeen gibt es nicht«, meinte das Urmel. Ich wußte nicht,
wo es diese Weisheit herhatte, aber sie war mir angenehm. Wir vertrugen uns
wieder. Und das Urmel hatte plötzlich große Lust, die sonderbare Fee leibhaftig
zu sehen, und daher flüsterte es in die Schlummertonne: »Laß uns endlich an den
Strand gehen, dorthin, wo die großen Schilfbüsche wachsen.«
    Das hörte ich nur zu gern. So leise wie möglich schob ich mich
aus der Schlummertonne.
    »So rumple und keuche doch nicht wie eine lungenkranke
Dampfwalze auf einer Schotterstraße!« sagte das Urmel.
    Dann schlichen wir beide wie Verschwörer auf Zehenspitzen
nebeneinander hinunter ans Meer.
    Die von der Fee in meinem Traum genannte Stelle lag sehr
einsam, am anderen Ende der Insel. Hier waren wir sicher, nicht entdeckt zu
werden. Eine kleine Wiese senkte sich sanft in das Wasser, große Schilfbüschel
standen steif und finster da. Sie rauschten — und das klang ganz schön
unheimlich — besonders, wenn man sich sowieso schon in einer gespensterhaften
Stimmung befindet.
    Am unheimlichsten aber erschien mir doch der düsterrote
Feuerpilz über dem Schornstein des Vulkans, fern, fern — über dem Meer und doch
viel zu nah. — Vielleicht war es gar kein Feuerpilz, sondern der böse Gluto
höchstpersönlich? Ich bibberte. Meine Zähne klapperten, und doch war ich
freudig erregt. »Wir wollen jetzt die Fee beschwören«, sagte ich leise.
    »Wie machen wir das?«
    »Wir müssen den Feen- und Elfentanz tanzen, öfföff!«
    Ich packte das Urmel an der Hand und schwenkte die Hand, und
wir beide schwenkten. Wir hoben die Beine und wiegten uns vor und zurück und
drehten uns im Kreis — höchst zierlich — und sangen und summten dazu das von
mir rasch gedichtete Lied:
     
    »O Fee, o Fee, du holde,
    erschein in deinem Golde!
    O steige aus dem Schilfe
    und schenk uns deine Hilfe!«
     

     
    Ohne Zweifel waren diese Zeilen und meine Melodie dazu sehr
nützlich, denn plötzlich erschallten von einer Uhr, die gar nicht da war, zwölf
dunkle, wohlklingende Glockenschläge... Unheimlich!
    Mitternacht!
    Ich setzte mich lieber auf den Po, da wurde ich nicht so
leicht umgeworfen. Außerdem wurden mir die Beine weich. Das Urmel folgte meinem
Beispiel.
    Da saßen wir nun beide und lauschten und lauschten. Es war
ganz still. Doch dann rauschte das Wasser. Weit draußen im Ozean tauchte ein
kleiner schwarzer Kopf auf, der sich rasch näherte, ein Stecknadelkopf.
    »Ich grüße euch!« sagte der Kopf mit schnarrender Stimme.
    »Wir grüßen dich!« bibberten ich und das Urmel zurück.
    Das zu dem Kopf gehörende Wesen entstieg den Wellen. Es sah
sehr seltsam aus, nicht so, wie ich mir eine Fee vorstelle, eher wie eine
dunkelbraune Schildkröte. Das einzig Feenhafte an ihm war vielleicht ein
großer, schimmernder Ring an der Kralle des rechten Fußes.
    »Kommt näher!« schnarrte das Wesen.
    Wir bewegten uns etwas voran. »Wer bist du, öfföff?« fragte
ich.
    »Der Abgesandte der Schweinefee. Mal erscheine ich als
Wasserschildkröte, bald als Vogelnöck. Doch höret! Man ist bereit, euch zu helfen.
Wir sind mächtig, doch nicht allmächtig, beachtet den kleinen Unterschied, er
kann euer Leben retten...«
    »Gleich?« fragte das Urmel.
    Der Abgesandte der Schweinefee schüttelte das Haupt. Dann
blitzte sein Ring an der Kralle. Und dann erschien auf der Wiese eine Schüssel,
deren Inhalt glühte. »Lava«, sagte der Abgesandte. »Ihr sollt sie jetzt
essen...«
    »Uuuuh!« seufzte das Urmel.
    »Sie schmeckt wie Himbeereis. Vertraut mir!«
    Ich hätte mir lieber die Schnauze verbrannt, als zu zweifeln.
Ich näherte mich der Glut, und je näher ich kam, desto kühler erschien sie mir.
Hiervon ermuntert fiel es mir nicht mehr schwer, sie zu schlürfen und zu
schlabbern. Ja, die Glut war kalt wie Eis! Dem Urmel kam es auch so vor. Und
süß erschien sie uns außerdem, süß mit einem bitteren Beigeschmack, vielleicht
von der Asche.
    Als die Schüssel leer war, verschwand sie auf die gleiche
geheimnisvolle Art, wie sie erschienen war.
    »Rülps!« machte das Urmel. Ich erschrak nicht schlecht, denn
seinem Maul entfuhr eine winzige Flamme in einem Feuerball.
    »Oh«, rief es begeistert, »jetzt bin ich ein richtiger
feuerspeiender Drache!«
    Ich starrte das Urmel halb entsetzt, halb bewundernd an. Und
ich wünschte mir nichts so sehnlich wie auch einen Aufstoßer — allein die
wunderbare Lava bereitete mir nicht einmal

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