Urmel im Vulkan
die größte Gefahr sei nach seinen Berechnungen vorbei, und bald würde
der Vulkan gänzlich zur Ruhe kommen.
Ich kroch gleich aus der Schlummertonne, um mir vom Urmel
berichten zu lassen. Das klang ja leider nicht gut! »Niemals, niemals verläßt
Habakuk Tibatong sein geliebtes Titiwu!« seufzte ich. »Ach — ich kann ihn sogar
verstehen. Nein, nein und noch mal nein...«
»Dreimal nein!«
»Dreimal nein, öfföff, es wäre schrecklich feige von uns,
jetzt schon vor dem Feuergeist davonzulaufen...«
»Onkel Pitsch nannte ihn Gluto.«
»Aha? Öfföff! — Jetzt erinnere ich mich, daß auch die
Qualmgeister ihn so nannten. Er ist also doch ein wirklicher, persönlicher
Geist! Sonst hätte er keinen Namen. Und das wäre doch gelacht: Mit einem Geist,
der heißt...«
»Das ist ja gereimt!«
»Ja, aber nur aus Versehen. Also mit einem Geist, der einen
echten Namen hat, muß man auch reden können. Und wenn man miteinander reden
kann, öfföff, dann ist das schon der halbe Erfolg, nicht wahr?« Ich war völlig
überzeugt von der Macht der Rede, und ich hatte ja auch allen Grund dazu — wenn
man bedenkt, was aus mir geworden ist, seit ich sprechen lernte.
Das Urmel nickte. Es fand Miteinandersprechen auch ganz
wunderschön und tröstlich und immer sehr hilfreich. »Aber irgendwer muß uns
trotzdem beistehen«, gab es dann zu bedenken.
»Sehr wahr, öfföff!« Ich nickte. »Ich weiß auch schon wer.«
»Die Urmelfee?«
»Die Schweinefee! — Gerade, bevor du zurückgekommen bist, habe
ich ein wenig geschlafen. Und da hat sie im Traum zu mir gesprochen. Sie ist
mir erschienen, verstehst du, öfföff? — Leider hat sie sich nicht zu erkennen
gegeben, sie hat sich nicht gezeigt, ich weiß also nicht, wie sie aussieht,
aber ich habe ihre sehr helle, silberglöckchenklare Stimme gehört...«
»Dann war es doch die Urmelfee!«
»Unsinn! Es war die Stimme der Schweinefee. Kein Urmel hat so
eine süße Stimme. Sie hat zu mir gesagt: ›Steh auf, liebe Wutz, und fürchte
dich nicht, öfföff, ich bin die Schweinefee...‹«
»Sie hat wirklich gesagt: ›Ich bin die Schweinefee‹?«
»Ja — es war mir nur nicht gleich eingefallen. Also sie hat
gesagt: ›Ich bin die Schweinefee und will euch helfen. Warte, bis das Urmel
zurückgekehrt ist...‹«
»Sie hat meinen Namen genannt?«
»Ja doch! — ›Warte, bis das Urmel zurückgekehrt ist, öfföff.
Dann steh leise auf und geh mit ihm heimlich an den Strand, dorthin, wo die
großen Schilfbüschel wachsen. Doch hütet euch wohl, euch sehen zu lassen. Mein
Zauber wirkt nur, wenn niemand von mir weiß...‹«
»Schade«, sagte das Urmel. »Ich habe es so gern, wenn alle
wissen, daß ich mit Feen befreundet bin.«
»Ich bin ja befreundet — und du bist mit mir befreundet,
öfföff!«
»Das ist aber nicht dasselbe.«
»Sehr richtig, öfföff! Denn du kriegst nur von meiner
Freundschaft mit der Schweinefee etwas ab. Mir ist sie im Traum erschienen,
nicht dir!«
Da war mein dummes Urmel beleidigt und wollte die Schweinefee,
die doofe, überhaupt niemals sehen.
Wutz
erzählt, wie sie und das Urmel eine wunderbare Erscheinung haben
Nun hatte ich viel Mühe, das Urmel wieder umzustimmen. Lange
redete ich ihm gut zu. »Ich habe es ja nicht böse gemeint, öfföff. Und es kommt
ja überhaupt nur darauf an, daß die Schweinefee uns helfen will gegen den bösen
Gluto. Denn allein können wir es nicht. — Ach, und ich bin so enttäuscht über
Onkel Pitsch...«
Das Urmel saß immer noch vor meiner Schlummertonne, und die
Schlummertonne stand — wie es sich gehörte — vor dem Blockhaus. Wir mußten also
sehr leise sein. Glücklicherweise schlief heute der Professor einmal fest und
tief. Ich hörte ihn sogar leise schnarchen.
Aber wenn man sich streitet, wird man leicht etwas lauter als
man will und als man es selbst merkt. Tim Tintenklecks merkte es, er rief
verschlafen aus seinem Baumhaus: »Ruhe bitte!«
Da waren wir gleich mucksmäuschenstill. Dunkel und drohend
standen die Bäume in der finsteren Nacht. Wenn einer davon ein Kirchturm
gewesen wäre, dann hätte es vielleicht jetzt bald Mitternacht geschlagen —
zwölf Uhr — , und das ist bekanntlich die Geisterstunde.
Vorläufig echote aber Schusch nur wie Tim Tintenklecks: »Ruhe
bätte!« Und gleich darauf brummte Babu, der Bambusbär: »Rrruhe bitte!«
Da flüsterte ich dem Urmel zu: »Wenn wir hier nicht
verschwinden, verraten wir uns noch. Und dann will jeder seine eigene Fee
haben,
Weitere Kostenlose Bücher