Urmel spielt im Schloß
gleich drei verschiedene Nachrichten in seine Wohnung, Tuntukullerstraße
7. Die erste kam mit der Flaschenpost und war ein Brief von Professor Tibatong.
Die zweite brachte der Briefträger und war ein Brief seiner Nichte Naftaline,
und die dritte kam durchs Telefon.
Jedoch — der
Reihe nach! In dem Brief vom Professor stand, daß er — trotz Zwengelmanns
freundlichem Hinweis — nirgends Seeungeheuer gefunden hätte. Das machte
Zwengelmann mißtrauisch. Denn immer, wenn Tibatong mir etwas schreibt, dachte
er, dann schwindelt er. Damals zum Beispiel, als er behauptete, ein Urmel zu
haben, das von seinem Hausschwein aufgezogen würde, hahaha! — Nun hat er
womöglich also doch etwas entdeckt, das er vor mir geheimhalten möchte? Zu
gerne würde ich ein Mäuschen auf der Insel sein — denn mir zeigt er ja doch
nichts.
In dem
zweiten Brief teilte ihm seine Nichte mit, daß sie ihn bald besuchen wollte.
«Ich hoffe, du freust dich! Ich möchte mit dir über meine beruflichen Pläne
sprechen. Du hast so große Erfahrungen und kennst auch König Pumponell!
Herzlichst Deine Naftaline.» Als er dies gelesen hatte, sank Zwengelmann auf
sein Sofa. Undeutlich erinnerte er sich an ein winziges Bündel mit faltigem
Gesicht: das Baby seiner Schwester Ortrude. Er hatte sie ganz aus den Augen
verloren, denn er konnte es ihr nie verzeihen, daß sie einen Luftballonfabrikanten
geheiratet hatte. «Knallerichs Luftballons, berühmt und bekannt. Aufblasbare
Tiernachbildungen, Miezekatzen, Hunde, Schweinchen...» Ganz früher hatte
Knallerich, Ortrudes Gatte, ihn auch einmal um seine wissenschaftliche Beratung
gebeten. Damals wollte er Tiere der Urzeit in seine Kollektion aufnehmen — aber
glücklicherweise hatte die Kundschaft kein Interesse an Ichthyosauriern zum
Aufblasen gehabt. Und jetzt kam also die Tochter dieses lästigen Menschen zu
ihm! Hoffentlich wurde er sie bald wieder los!
Die dritte
Nachricht war die erfreulichste. Der Bürgermeister rief ihn an und fragte, ob
Zwengelmann nicht vielleicht auch noch die Leitung des Zoos übernehmen wolle.
Der frühere Zoodirektor war einem Ruf ins Ausland gefolgt. Zwengelmann wollte.
Er fand es sehr praktisch: «Die lebenden Tiere kommen in den Zoo—», meinte er,
«und wenn sie gestorben sind, werden sie präpariert und im Naturkundemuseum
ausgestellt! — Natürlich müßte ich auch gelegentlich reisen, auf Tierfang
gehen, im Fernsehen sprechen, einsame Inseln besuchen...»
Das schien
dem Bürgermeister zwar nicht so wichtig, denn dafür hatte die Stadt kein Geld.
Aber als der zweifache Direktor Zwengelmann schließlich den Hörer auf die Gabel
legte, lächelte er doch. Kommt Zeit, kommt Rat, dachte er.
Zwengelmann
besichtigt seinen Tiergarten und lernt seine Nichte kennen
Etwas später
spazierte der neuernannte Direktor durch seinen Zoo. Zunächst war sein Schritt
beflügelt — er freute sich. Mit frischen Augen betrachtete er die Tiere in den
Käfigen oder Gehegen. Nicht das erstemal war er hier, aber heute sah er alles
neu, sein Bewußtsein war durch die ihm übertragene Verantwortung geschärft. Der
Kies knirschte unter seinen Schritten, und er knirschte auch unter den Schuhen
seiner Mitarbeiter, der Verwaltungsangestellten und Tierpfleger. Sie
berichteten ihm, wie viele Besucher der Zoo durchschnittlich täglich hatte, wie
hoch die durchschnittlichen täglichen Einnahmen waren, was das Futter im
Durchschnitt kostete — nur wie sich die Tiere hier fühlten, berichteten sie ihm
nicht.
Es war ein
ausgedehnter Zoo, viele Kilometer waren zu durchmessen. Wie kurz waren dagegen
die Gänge im
Naturkundemuseum! Direktor Doktor Zwengelmann begann zu schwitzen, heiß und
grell strahlte die Sonne vom Himmel: Er kaufte sich ein Eis und verzehrte es,
während er seine Blicke immer kürzer auf den Seehunden, den Eisbären, den
Affen, den Löwen und Antilopen, den Elefanten und Zebras, den Nashörnern und
Nilpferden ruhen ließ. Auch den kleinen, gelbweiß- und schwarzfelligen Pandabären,
der scheu und teilnahmslos unter dem Kletterbaum seines Geheges hockte, sah er
nur flüchtig an.
«Er fühlt
sich nicht wohl!» Der Tierwärter zuckte mit den Achseln.
«Jaja.»
Zwengelmann nickte abwesend. Er las das Schild «Bambusbär oder Riesenpanda (Ailuropoda
melanoleuca), Heimat Tibet und China, Leihgabe Seiner königlichen Majestät
Pumpolon LV.» und ging weiter. Flüchtig dachte er, wieviel einfacher es war,
die ausgestopften Modelle und Skelette im Museum zu
Weitere Kostenlose Bücher