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Vampirdämmerung / Roman

Vampirdämmerung / Roman

Titel: Vampirdämmerung / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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Höllenteils gemacht worden sein, aber er benahm sich bis heute wie ein britischer Offizier.
    Ein Stück vor Constance blieb er stehen und sah an ihr hinab. In seiner Nähe fühlte sie sich klein wie ein Kind, eingeschüchtert von seinen blassgrauen Augen. Sie schluckte nervös. Reynard war nicht so brutal wie seine Männer, aber er hatte die Schlüssel zum Gefängnis. Er mochte freundlich sein; ein Freund jedoch wäre er nie.
    »Du solltest nicht allein umherwandern, hübsche Constance«, fuhr er fort. »Dein kleines Messer nützt dir nicht viel.«
    »Viktor ist bei mir, Sir.«
    Reynard verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sich um. »Was zweifelsohne sicherer wäre, wäre er denn sichtbar. Er kommt zu jedem, der ihn ruft, wie du weißt, sogar zu mir. Er ist zu einfältig, um seinen eigenen Herrn zu erkennen.«
    »Das macht mir keine Sorge, Captain, Sir. Ich besitze selbst Zähne.«
    »Fürwahr! Zähne so winzig klein wie die einer jungen Hauskatze, und ungefähr gleich furchteinflößend.« Sein Mund verzog sich zur Andeutung eines traurigen Lächelns.
    Da war kein Hauch von Flirt; trotzdem wandte Constance den Blick ab, verlegen ob eines ungewollten Anflugs von Interesse. Sie bevorzugte eine andere Art Mann, gab aber zu, dass der Captain ein recht feines Mannsbild war. Was sie auf den Gedanken brachte, dass sie vor Jahrhunderten eine junge Frau gewesen war. Heute war sie ein Monster, das nur existierte, weil die Magie der Burg es am Leben erhielt.
    Reynard streckte eine Hand vor und berührte mit der Fingerspitze den Anhänger an ihrem Hals. Der sanfte Druck ließ Constance erschaudern.
    »Eine sehr kunstfertige Arbeit. Bronze, nicht wahr?«
    »Ja, Sir. Sylvius hat ihn mir aus einer Bogenspitze geschmiedet. Er sagte, er soll uns an die Möglichkeiten um uns herum erinnern.« Sie mied es, den Captain anzusehen, und beobachtete stattdessen das Fackellicht, das auf der Goldtresse seiner Jacke tanzte. »Er arbeitet sehr gern mit den Händen.«
    »Kein geborener Krieger also?«
    »Er ist noch ein Junge, Sir«, antwortete sie steif.
    Bei ihrem schroffen Ton wich Reynard ein Stück zurück. »Wie geht es Atreus? Schweift sein Geist immer noch ab?«
    »Seine Verfassung ist unverändert.« Das war eine Lüge. Ihr Herr verfiel zusehends, aber Constance war nicht gewillt, seine Würde zu verraten.
    »Arme Constance! Ich nehme an, du hast die ganze Last seiner Pflege zu tragen.«
    »Es gibt wenig, was ich tun kann, Sir, und es ist meine Aufgabe, ihm zu dienen.«
    »Was ist mit Besuchern?«
    »Niemand macht sich die Mühe, in diesen Teil der Burg zu kommen.«
Außer Ihnen. Was tun Sie hier? Warum sind Ihre Männer hier?
    »Isolation bedeutet nicht zwangsläufig Sicherheit, insbesondere dann nicht, wenn Angst in der Luft liegt.«
    Sie lachte spöttisch. »Angst ist allgegenwärtig, Captain. Es gibt ständig Kriege zwischen den Vampiren und den Werwölfen oder einem Warlord und einem anderen. Um die Wahrheit zu sagen, Sir, bin ich es müde, mich deshalb zu sorgen.«
    »Diesmal ist es anders.«
    »Wie das, Sir?«
    Sein Achselzucken sollte lässig sein, wirkte aber eindeutig angespannt. »Geschichten kriechen wie Kakerlaken durch die Korridore. Es wird getuschelt und gewispert, dass im dunkelsten Winkel der Burg Mauern eingestürzt sind. Kammern sind verschwunden. Wesen wurden aus den tiefsten Kellern getrieben und wandeln frei umher.«
    Constance lehnte sich an die kalte Mauer. Das war wirklich fast amüsant. »Aber, Sir, Sie glauben doch sicher nicht solchem Gerede. Hier gibt es bereits weidlich Monster, ohne dass wir weitere Märchen hinzufügen.«
    Sein Blick verfinsterte sich.
    Heilige Mutter Maria, an dem Gerede war wirklich etwas dran!
Constances Bauch fühlte sich an, als ruhte ein kalter Stein darin.
    »Mythen wachsen mit dem Erzählen«, entgegnete er. »Unter den Wächtern wie den Gefangenen breitet sich Panik aus, die wiederum die Kriege befeuert. Und du weißt, dass die Wachen nicht unbesiegbar sind. Seit meiner Zeit kamen keine neuen Rekruten mehr. Wir sind längst zu wenige, als dass wir jedes Scharmützels Herr werden könnten.«
    Constance kräuselte die Stirn, so sehr strengte sie sich an, seinen Worten einen Sinn abzuringen. »Captain Reynard, weshalb sind Sie hier? Warum erzählen Sie mir das alles? Sind Sie mit dem Wachtrupp gekommen? Was hat all das mit meiner Familie zu tun?«
    »Es gab keinen Wachtrupp.« Reynard senkte den Blick, und in diesem Moment schien er um zehn Jahre zu altern, denn die

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