Vampire Academy 04
das ganze Lokal trotz des schummrigen Lichts hell funkelte. Es gab einen großen Speisesaal, darin mit Samt verhängte Tische und Sitznischen, außerdem eine Lounge und einen Barbereich. Spät am Abend würde dort eine Band spielen und die Tanzfläche sich mit Paaren füllen.
Nachdem ich vor einigen Wochen in der Stadt angekommen war, hatte ich mich mit der Nachtigall zunächst gar nicht abgegeben. Ich war so arrogant gewesen zu glauben, ich könnte problemlos Moroi finden, die mir den Weg zu Dimitris Heimatstadt in Sibirien weisen würden. Ohne auch nur den kleinsten Hinweis darauf, wo Dimitri sich in Sibirien aufhalten könnte, war die Reise in die Stadt, in der er aufgewachsen war, meine einzige Chance, näher an ihn heranzukommen. Nur dass ich nicht wusste, wo diese Stadt lag. Darum versuchte ich, Moroi zu finden, die mir weiterhelfen könnten. Es gab in Russland eine ganze Anzahl von Dhampir-Städten und -kommunen, aber kaum welche in Sibirien, was in mir die Hoffnung weckte, dass die meisten einheimischen Moroi seinen Geburtsort bestimmt kennen müssten. Bedauerlicherweise stellte sich aber heraus, dass die Moroi, die in den Städten der Menschen lebten, sehr gut darin waren, sich zu verstecken. Ich klapperte alle Plätze ab, von denen ich dachte, dass dort wahrscheinlich Moroi zu finden wären, doch ich hatte keinen Erfolg. Und ohne diese Moroi bekam ich keine Antworten.
Also fing ich an, den Klub zu überwachen, was gar nicht so leicht war. Für eine Achtzehnjährige war es sogar recht schwierig, sich in einem der elitärsten Klubs der Stadt aufzuhalten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Doch schon bald fand ich heraus, dass teure Kleider und hinreichend große Trinkgelder eine Menge dazu beitrugen, dort zurechtzukommen. Die Kellner kannten mich inzwischen, und falls sie meine Anwesenheit im Klub für seltsam hielten, so sagten sie es nicht und gaben mir mit Freuden den Ecktisch, um den ich immer bat. Wahrscheinlich dachten sie, ich sei die Tochter irgendeines Magnaten oder Politikers. Woher ich auch kommen mochte, ich hatte jedenfalls das nötige Kleingeld, um mich dort aufzuhalten, und das war alles, was sie interessierte.
Trotzdem waren meine ersten Abende in dem Klub ziemlich entmutigend gewesen. Die Nachtigall mochte ein elitärer Treffpunkt für Moroi gewesen sein, aber es wurde auch von Menschen besucht. Zuerst hatte es für mich sogar so ausgesehen, als seien Menschen die einzigen Gäste. Im Laufe des Abends füllte sich das Lokal, aber wenn ich die voll besetzten Tische und die Bar absuchte, konnte ich keinen Moroi entdecken. Dann bemerkte ich eine Frau mit langem platinblondem Haar, die mit ein paar Freunden die Lounge betrat. Einen Moment lang stockte mir der Atem. Die Frau hatte mir zwar den Rücken zugewandt, aber sie sah Lissa so ähnlich, dass ich davon überzeugt gewesen war, aufgespürt worden zu sein. Seltsamerweise hatte ich nicht gewusst, ob ich deswegen froh oder entsetzt sein sollte. Ich vermisste Lissa so sehr, gleichzeitig wollte ich nicht, dass sie in meine gefährliche Reise verwickelt wurde. Dann hatte sich die Frau umgedreht. Es war nicht Lissa gewesen. Sie war nicht einmal eine Moroi, nur ein Mensch. Langsam hatte meine Atmung sich wieder normalisiert.
Endlich, vor etwa einer Woche, hatte ich Glück. Eine Gruppe von Moroi-Frauen war zu einem späten Mittagessen hereingekommen, begleitet von zwei Wächtern, einem männlichen und einem weiblichen, die pflichtschuldig und still am Tisch saßen, während ihre Schützlinge bei einigen Gläsern Champagner schwatzten und lachten. Diese Wächter zu umgehen war besonders knifflig gewesen. Für jene, die wussten, wonach sie suchen mussten, waren Moroi leicht zu erkennen: größer als die meisten Menschen, blass und ultraschlank. Außerdem hatten sie so eine komische Art zu lächeln und mit den Lippen ihre Reißzähne zu verbergen. Wir Dhampire mit unserem menschlichen Blut wirkten … nun ja, menschlich.
Zumindest für das ungeübte menschliche Auge sah ich so aus. Ich war ungefähr einen Meter siebzig groß, und während Moroi zu unwirklichen Laufsteg-Model-Körpern neigten, war ich athletisch gebaut und hatte einen üppigen Busen. Gene meines unbekannten türkischen Vaters und zu viel Zeit in der Sonne hatten mir eine leichte Bräune beschert, die ziemlich gut zu meinem langen, fast schwarzen Haar und meinen gleichermaßen dunklen Augen passte. Aber jene, die in der Moroi-Welt aufgewachsen waren, konnten mich bei genauerer Betrachtung
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