Vampirzorn
seiner Blutrinne und den grässlichen Schleusen. Im Moment befand sich niemand von Drakeshs Leuten hier, doch aus seinen Gesprächen mit den einstigen Priestern und Novizen wusste der Necroscope nur zu gut, wo er war. Und dieser Ort war ebenso gut oder vielmehr schlimm wie jeder andere hier.
Als Telepath war Drakesh überaus talentiert. Zwar vermochte er nicht, die körperlosen Gedanken der Toten abzufangen oder zu lesen und auch nicht die Gedanken des Necroscopen, solange dieser sich der Totensprache bediente; dennoch spürte er, dass hier etwas vorging, dass irgendwer mit irgendjemandem kommunizierte. Und als er seine Vampirsinne schweifen ließ, stieß er sofort auf einen weiteren Eindringling, Harry Keogh, tief im Innern des Klosters. Prompt zog sein umnachteter Geist einen Schluss, der allerdings falsch war beziehungsweise nur zum Teil der Realität entsprach.
Er wurde angegriffen! Sein Plan war aufgeflogen! Sie wollten ihn aufhalten, das Kloster, sein gesamtes Werk zerstören und ihn, Daham Drakesh, töten! Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, wer »sie« überhaupt waren, doch nun war es eindeutig an der Zeit, ihnen etwas zu geben, worüber sie sich den Kopf zerbrechen konnten. Er ging, die klauenartigen Hände ausgestreckt, auf den Toten zu. Seine Arme wurden länger und länger. Die Pistole in Major Chang Luns Hand machte »klick«! Und noch einmal: »Klick! Klick!« Die Waffe war nicht geladen.
Drakesh fegte Chang Lun beiseite wie eine Gliederpuppe. Das ohnehin bereits angebrochene Rückgrat des Majors brach entzwei, seine Beine gaben nach und er sank auf den kalten Felsboden. Drakesh hieb seinen Finger auf den Knopf ... und hielt inne. Er blinzelte, fing an nachzudenken, als er sah, wie ... was, etwa ein Lächeln? ... über Chang Luns Gesicht glitt. Wäre der chinesische Major noch am Leben, müsste er unerträgliche Qualen ausstehen. Ein Toter hingegen fühlte nichts. Und doch zeigte er eine Empfindung. Es war ein zufriedenes, ja, triumphierendes Lächeln!
Abermals ließ Drakesh seine Sinne schweifen und las, sah, was der Necroscope vorhatte! Seine knochendürre Hand fuhr von dem Kontrollpult zurück. Schwankend wandte er sich um und rannte los – aus dem Gelass hinaus, die letzte steinerne Treppenflucht hinauf zu der kahlen Kuppe des aus dem Fels gehauenen Schädels –, rannte wie ein grotesker Parasit, der er ja auch war, vor einem unsagbaren Grauen davon, das schlimmer war als alles, was er sich in seinen kühnsten Träumen je auszumalen gewagt hätte. Er floh vor einem Mann, der die Toten aus ihren Gräbern zu rufen vermochte, damit sie auf eigene Faust ihre Rache übten!
Hoch oben auf der mondbeschienen Kuppe des Schädels breitete er seine Arme aus, wie um die Nacht zu umarmen, und zwang seinen Körper dazu, sich zu verwandeln. Dies war die größte aller Künste des Vampirlords, und bisher war noch jeder Drakul ein Meister darin gewesen.
Unterdessen hatte Chang Lun im Funkraum noch etwas zu erledigen. Zentimeter um Zentimeter schleppte er sich über den Boden, und irgendwie gelang es ihm, seinen zerstörten Körper am Kontrollpult aufzurichten.
Necroscope, sagte er. Es hat mich übel erwischt, ich kann meinen Körper kaum noch beisammenhalten. Ich kann es trotzdem noch tun, aber warte bloß nicht zu lange.
Schon in Ordnung, erwiderte Harry, denn mittlerweile hatte er Zahanine ihre Aufgabe klargemacht. Zähle einfach bis fünf und dann drücke den Knopf. Und vielen Dank, Major!
Damit beschwor er ein Tor herauf, trat hindurch ... und befand sich prompt ein gutes Stück, zirka dreieinhalb Kilometer, vom Kloster entfernt an einer Stelle unweit von Zahanines Wagen.
Harry wusste, was gleich geschehen würde. Ohne Zeit zu verlieren, grub er sich durch den verharschten Schnee und verbarg sich in der weicheren Schicht darunter. Im Kloster zog Zahanine die Antenne des Empfängers aus und stellte den Kontakt zur Bombe her; zugleich knickten Chang Lun die Knie ein, und mit dem Gesicht voran fiel er auf den todbringenden Knopf.
Daham Drakesh flog! Einem monströsen Mischwesen aus Mensch und Eidechse gleich schraubte er sich wie ein urzeitliches Pteranodon höher und höher hinauf in den nächtlichen Himmel über dem Kloster. Und sein Gefolge rotäugiger Fledermäuse mit ihm.
Sein Flug glich dem Flug einer unglückseligen Motte, und erst im letzten Moment, als direkt unter ihm mit einem Mal die größte Kerze der Welt aufflammte, begriff er, dass ihn sein Schicksal ereilte. Eine Kerze, so hell wie
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