Vampyr
Boden. Der Aufprall presste ihr die Luft aus den Lungen und erstickte ihren Hilfeschrei. Wasser spritzte auf. Sofort war er über ihr. Es gelang ihr gerade noch, einen Arm nach oben zu reißen und den Dolch abzufangen, bevor sich die Klinge in ihre Schulter bohren konnte. Seine Züge waren in kalter Wut erstarrt, als er erneut die Waffe hob. Catherine bäumte sich auf und warf sich zur Seite. Knirschend fuhr der Dolch neben ihr in den Boden. Sie versuchte auf die Beine zu kommen, doch der Mann packte sie und drückte sie nieder. Sein Knie bohrte sich zwischen ihre Rippen und raubte ihr den Atem. Eine Faust traf ihre Schläfe. Die Welt franste aus und verschwamm. Nein! Blinzelnd kämpfte sie gegen die Leere an, in die ihr Geist zu entschwinden drohte. Dahinter lauerte der Tod. Wenn ich jetzt ohnmächtig werde, bringt er mich um.
Es gelang ihr ein Stück weit, ihre Besinnung zurückzuerlangen. In diesem Moment raste ihr die Klinge erneut entgegen. Catherines Hand schoss vor. Ihre Finger klammerten sich um das Handgelenk des Attentäters. Ihr Arm zitterte vor Anstrengung, während sie versuchte die Waffe auf Abstand zu halten. Wieder drohten ihre Sinne zu schwinden. Plötzlich wuchs ein Schatten über ihr auf. Ein Paar Arme legte sich um das Genick des Attentäters. Ein kurzer Ruck, gefolgt von einem trockenen Knacken, dann sackte der Angreifer über Catherine zusammen und raubte ihr endgültig die Sicht.
Geräusche drangen an ihr Ohr. Für einen Moment glaubte sie, es seien ihre eigenen Schreie. Plötzlich riss jemand die Leiche von ihr fort und zog Catherine auf die Beine. Ein fester Griff an ihrem Arm verhinderte, dass sie erneut stürzte. Sie sah auf, um sich bei ihrem Retter zu bedanken. Die Worte blieben ihr im Halse stecken, als ihre Augen auf den grün-schwarzen Kilt fielen.
Der Clanskrieger schien ihren Schrecken nicht zu bemerken. Er übergab sie einem seiner Kameraden. »Kümmere dich um das Mädchen. Der Hauptmann wird wissen wollen, was es gesehen hat.«
*
Wasser tropfte von den Steinwänden und sammelte sich in kleinen Pfützen auf dem Boden. In der Wachstube war es kühl. Catherines Haar und ihre Gewänder waren noch immer feucht vom Regen. Fröstelnd saß sie auf einem Stuhl, die Arme um den Oberkörper geschlungen, und starrte auf den schartigen Eichenholztisch vor sich. Deutlich war sie sich der Wachen bewusst, deren Blicke sich eisig in ihren Nacken bohrten. Sie verfluchte sich dafür, dass sie sich in diese Lage gebracht hatte. Ich wollte kein Aufsehen erregen und jetzt sitze ich hier und warte darauf, verhört zu werden. Sie seufzte leise. Warum konnte ich nicht einfach bleiben, wo ich war?
Das Leben, das sie als Mrs Parsons Zofe in Edinburgh geführt hatte, war keineswegs schlecht gewesen. Dennoch hatte sie es nicht lassen können, noch einmal in ihre Vergangenheit zu reisen. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass der Preis dafür nicht zu hoch ausfallen würde.
Das ärgerliche Kreischen der Türangeln ließ sie so heftig hochfahren, dass ihr Stuhl ins Wanken geriet. Ihr Blick flog zur Tür, wo sich eben ein Mann im Kilt unter dem Türstock hindurchduckte und in den Raum trat.
Farrell! Schrecken fuhr wie ein eisiger Blitz durch Catherines Adern. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück und brachte den Stuhl zwischen sich und den Clanskrieger. Farrell ging zum Tisch und zog seine Uniformjacke zurecht. Mit gerunzelter Stirn studierte er Catherines Züge. Sein Blick war derart eindringlich, dass sie glaubte darunter zu verbrennen. Ohne sein Schweigen zu brechen, bedeutete Farrell seinen Männern den Raum zu verlassen. Kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, wandte er sich wieder Catherine zu. Sie starrte dem hoch gewachsenen Krieger entgegen, als hätte er sie zum Zweikampf gefordert.
Während er sie betrachtete, wich die Härte aus seinem kantigen Gesicht und machte einem Lächeln Platz. In einer fließenden Bewegung, die sie einem Mann seiner Statur nicht zugetraut hätte, verneigte er sich. »Ich hätte nicht gedacht, Euch eines Tages wieder zu sehen, Catherine Bayne.«
Bayne. Der Name war wie ein Schlag ins Gesicht, offenbarte er doch, wessen Tochter sie war. »Ich habe nichts getan«, sagte sie schnell.
Farrell trat näher. »Warum glaubt Ihr, ich würde das annehmen?« Die Freundlichkeit seiner Worte ließ sie verwundert aufsehen. Natürlich war sie davon ausgegangen, dass er ihr die Schuld an den Ereignissen gab. Warum sollte die Tochter anders sein als der
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