Vampyr
Richtung davonging. Diebesgesindel!
Der Klang eines Dudelsacks kündigte die Ankunft des Earls an und lenkte Catherines Aufmerksamkeit auf den Markplatz. Zu hören, dass Martáinn am Leben war, war das eine. Es zu sehen das andere. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie noch immer nicht daran zu glauben gewagt hatte.
Sie war zu weit entfernt, um Einzelheiten in seinen Zügen auszumachen, aber nahe genug, um ein Aufflackern der alten Verbundenheit zu spüren, die einst zwischen ihnen geherrscht hatte. Ihre Hände begannen zu zittern, während sie beobachtete, wie er mit seinem Gefolge an das Podest heranritt, absaß und die Stufen erklomm; das rote Haar ein flammender Farbtupfen im fahlen Licht. Wie seine Wachen trug auch er Kilt und Leinenhemd. Einzig der grün abgesetzte Saum der schwarzen Uniformjacke und die kostbare Felltasche mit den silbernen Beschlägen hoben ihn von seinen Clanskriegern ab.
Man bekam Martáinn nur selten im Kilt zu sehen. Schon vor Jahren hatte er entdeckt, wie viel praktischer Hosen waren. Seither trug er die traditionelle Highland-Kleidung nur noch zu offiziellen Anlässen oder an Feiertagen. Für Catherine war es einerlei, was er trug. Allein sein Anblick genügte, ihr Herz schneller schlagen zu lassen.
Martáinn erreichte den Holzthron. Für einen Moment blieb er stehen und winkte in die Menge. Erst als er sich setzte, bemerkte Catherine den Mann, der seitlich des Throns Stellung bezog. Daeron ap Fealan. Der hoch gewachsene Waliser stand aufrecht neben dem Earl und ließ seine Blicke wachsam nach allen Seiten schweifen. Den Mantel hatte er leicht zurückgeschlagen, den Daumen lässig am Waffengürtel verhakt. Ganz in der Nähe von Schwert und Pistole. Wie üblich trug er eine geschnürte Lederweste über dem Hemd und dazu Hosen. Eine Angewohnheit, die er in all den Jahren, die er nun schon im Glen Beag weilte, nicht abgelegt hatte. Im Gegenteil: Martáinn hatte sie von ihm übernommen.
Lag da ein verächtlicher Ausdruck in Daerons Zügen, wenn er Martáinn betrachtete? Derselbe Hochmut, mit dem er Catherine stets behandelt hatte?
Sie war dreizehn gewesen, als Daeron nach Dun Brònach gekommen war. Ein fünfzehnjähriger Knabe, der seinen Aufenthalt im abgelegenen Glen Beag der Freundschaft seines Vaters mit Martáinns Vater verdankte. Daerons Vater hatte sich gewünscht, dass die Freundschaft, die ihn und Bruce verband, auch zwischen ihren Söhnen herrschen sollte. Tatsächlich war Daeron schon bald zu Martáinns Schatten geworden. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er auch freundlich zu Catherine gewesen war. Damals hatte sie den Jungen mit den wilden braunen Locken wirklich gemocht. Doch schon bald hatte er begonnen, sich zwischen sie und Martáinn zu drängen. Catherine war immer häufiger Zielscheibe seiner Scherze und boshaften Bemerkungen geworden. Dennoch hatte sie seine Gegenwart beinahe drei Jahre lang ertragen. Und manchmal hatte sie ihm seine Gemeinheiten mit gleicher Münze heimgezahlt.
Martáinn brachte die Menge mit einer Geste zum Schweigen. Seine Worte schallten über den Platz und erklärten die Audienz für eröffnet. Auf einer Seite des Podiums sorgten Clanskrieger dafür, dass sich die Männer und Frauen, die hier waren, um ihr Anliegen vorzutragen, in einer Reihe aufstellten. Weitere Wachen, mit Breitschwertern an der Seite und Musketen in Händen, hatten um das Podium herum Posten bezogen.
Auf ein Zeichen des Earls betrat der Erste das Podest. Ein hagerer Mann in einem einfachen braunen Plaid. Hastig zog er seine Kappe vom Kopf und verneigte sich, ehe er mit gesenktem Haupt vor dem Earl niederkniete.
Als er zu sprechen begann, nahm der Wind seine Stimme auf und trug sie über den Platz. »Mein Name ist Walter, Herr«, sagte er ohne den Kopf zu heben. »Die Männer und Frauen Asgaidhs haben mich in dieser Angelegenheit zu ihrem Sprecher ernannt.«
»Dann trag dein Anliegen vor, Walter«, entgegnete Martáinn freundlich.
Die Finger des Mannes klammerten sich um die Kappe, die er vor der Brust hielt. »Herr, die Leute haben Angst. Seit Monaten verschwinden immer wieder Menschen. Vor drei Tagen machten sich einige von uns auf die Suche nach Hamish, dem Schmied. Er war schon einige Tage nicht nach Hause gekommen und seine Frau machte sich große Sorgen … Wir fanden ihn in einem verlassenen Haus. Vollkommen blutleer.« Walter stockte, dann fuhr er mit belegter Stimme fort: »Wir durchsuchten das Haus und entdeckten einen verborgenen Keller. Es war entsetzlich!
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