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Vampyr

Vampyr

Titel: Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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– diesen abgelegenen und unbedeutenden Teil des Landes erhalten. Seither hatte immer ein MacKay im Tal die Macht in Händen gehalten. Dann war Roderick Bayne gekommen. Die Freude darüber, dass mit Martáinn nun wieder ein MacKay den Titel des Earls trug, war letztlich größer als alle Zweifel an seinen Fähigkeiten.
    Catherine war erstaunt, wie viel sie aufschnappte. Eine Mischung aus offen ausgesprochenen Worten und dem, was nicht gesagt wurde. Doch die Menschen wussten nur, was man sich hinter vorgehaltener Hand erzählte – ein Wirrwarr aus Wahrheit und Mutmaßungen. Sie hingegen wusste, was wirklich geschehen war.
    Endlich erreichte sie das Ende des Marktplatzes. Ein letzter Schritt, dann war sie aus dem Gedränge heraus und fand sich in der Einmündung einer Seitengasse wieder, fernab von den Wachen und dem Podest. Auch von hier aus würde es ihr gelingen, einen Blick auf den Earl zu erhaschen. Das war alles, was sie wollte: ihn noch einmal sehen. Nur deshalb war sie zurückgekehrt. Es war ihre Art, mit der Vergangenheit abzuschließen. Danach wollte sie Asgaidh den Rücken kehren und das Leben, das sie während der vergangenen Jahre geführt hatte, wieder aufnehmen. Die meisten Menschen kamen über die Hauptstraße auf den Marktplatz, sodass Catherine im Schatten der eng stehenden Häuser beinahe allein war. Weißer Rauch kräuselte sich aus den Kaminen, wurde vom Wind aufgenommen und verteilt. Der würzige Geruch von Torf erfüllte die Luft. Catherine suchte unter einem Dachvorsprung Schutz vor dem Regen. Hier lagen überall Holzstapel und Reisigbündel, deutliche Anzeichen für den bevorstehenden Tag der Ushana.
    Catherine erinnerte sich an viele Gelegenheiten, bei denen sie Ushanas Geschichte gehört hatte. Als sie noch jünger gewesen war, hatte sie ihren Vater immer angefleht das Licht nicht zu löschen, wenn er sie zu Bett brachte. Der beruhigende Schein einer Laterne hatte die Albträume, die die alte Überlieferung in ihr weckten, in die Dunkelheit zurückgedrängt. Mit den Jahren war der Schrecken geringer geworden, doch selbst jetzt genügte der Gedanke daran, um ihr eine Gänsehaut über Rücken und Arme laufen zu lassen.
    Ushana, die Schwester des ersten Earls von Glen Beag, war mit finsteren Mächten im Bunde gewesen. Der Hexerei angeklagt hatte sie einst ihr Ende auf dem Scheiterhaufen gefunden. Der Legende zufolge war sie noch in derselben Stunde aus dem Tode zurückgekehrt, um Vergeltung an ihren Peinigern zu üben. Ihr Hass hatte ein Inferno entfesselt, das Dun Domhainn und alles Leben innerhalb der Burgmauern ausgelöscht hatte. Einzig Mary, die Frau des Earls, und ihr neugeborener Sohn waren entkommen. Mary MacKay hatte eine neue Burg – Dun Brònach – in unmittelbarer Nähe Asgaidhs errichten lassen. Ihre Furcht vor Ushanas Rache war so groß gewesen, dass sie Zuflucht in endlosen Ritualen und Gebeten gesucht hatte, die ihren jährlichen Höhepunkt an Ushanas Todestag fanden. Ein Tag, dessen Riten nur einen Zweck verfolgten: Ushanas rachsüchtigen Geist von Asgaidh und seinen Bewohnern fern zu halten.
    Doch noch immer schien die Ushana allgegenwärtig. Selbst zu Lebzeiten von Earl Bruce, beinahe zweihundert Jahre nach ihrem flammenden Ende, hatte es immer wieder rätselhafte Todesfälle gegeben. Kinder waren auf unerklärliche Weise gestorben und Wanderer tot in den Bergen aufgefunden worden – die Gesichter in einer Maske nackten Entsetzens erstarrt. Kaum einer wagte es auszusprechen, aber in den Gesichtern der Menschen spiegelten sich ihre Gedanken und Ängste wider: Die Ushana sann noch immer auf Rache!
    Eine Bewegung in der Gasse erregte Catherines Aufmerksamkeit. In einiger Entfernung kreuzten ein paar Männer in Plaids eine Einmündung. Die Gasse selbst lag verlassen da, sodass sie schon glaubte sich getäuscht zu haben. Da sah sie es erneut. Im Halbdunkel einer Nische standen zwei Männer beisammen und unterhielten sich leise.
    Catherine wollte den Blick schon wieder abwenden, als einer der beiden seinen Umhang ein Stück zur Seite schlug. Eine schwungvolle Geste, die ihr seltsam vertraut erschien. Während sie sich noch fragte, an wen sie die Bewegung erinnerte, löste der Unbekannte eine Börse vom Gürtel und überreichte sie seinem Gegenüber. Einen Atemzug später zog er die Kapuze tiefer ins Gesicht, trat aus der Nische und verließ die Gasse. Der andere ließ die Börse mit einem zufriedenen Grinsen in den Falten seines Plaids verschwinden, ehe er in entgegengesetzter

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