Vampyrus
Versehen zu zerbrechen. So ein Missgeschick aber auch. Der Inhalt läuft zum Glück nur auf den Boden. Natürlich hat sie sich geschnitten. Ich spiele den Ersthelfer. Nicht schlimm. Nur ein Schnitt. Keine Splitter in der Hand. Ein blutiges Taschentuch in einem verschließbaren Glas reicht für meine Zwecke. Der Barkeeper ist betroffen. Ich winke ab und bestelle ein neues Glas. Innerlich grinse ich. Nicht optimal, aber immer noch besser, als mit einer Spritze auf sie loszugehen.
Beim Hinausgehen lacht meine Bekannte. Sie findet, es war alles gar nicht so schlimm. Ich drehe mich noch einmal um und fange einen Blick auf. Er gehört zu einer grauen Gestalt, die in der hintersten Ecke lehnt und die mir bisher nicht aufgefallen war. Der Blick ist teilnahmslos und doch durchbohrend. Da fällt bereits die Tür hinter mir zu. Ich bin mir sicher, dass es der angebliche Vampir ist. Ich höre nicht, was meine Bekannte zu mir sagt. Warum habe ich ihn nicht vorher bemerkt? Hat er uns die ganze Zeit beobachtet?
Ich liege in meinem Bett und mir ist schlecht und ich habe Angst. Habe wohl den ganzen Tag in den Kleidern geschlafen. Draußen wird es schon wieder dunkel. Wirre Erinnerungen. Ich laufe nachts durch die mondhellen Straßen der Stadt. Ich suche finstere Orte auf. Keller, Gänge, Treppenhäuser. Und irgendwas mit Gewalt und Blut. Ich halte den Zettel vor meine Augen. Drei Namen. Ein Schauder läuft mir den Rücken hinunter. Ich muss mich aufraffen, aufstehen, zum Fenster gehen und hinaussehen. Gegenüber, am Rande des Lichtkreises einer Straßenlaterne, die gerade angegangen ist, wartet eine krumme Gestalt auf mich. Wie war das noch: Es gibt keine Vampire und ich habe auch nie daran geglaubt.
Gabriele Stegmeier
Das perfekte Dinner
E s war zu leicht gewesen, diesen dummen Jungen zu überlisten. Keine Herausforderung. Wie er auf sie angesprungen war am Tresen des Flamboyant. Anastas hatte sich gefragt, was so ein junger Spund in dieser dunklen Kneipe, in der nur abgehalfterte Typen rumhingen, zu suchen hatte. Ihrer Meinung nach hätte er mehr in das Lichtorgelflackern einer Disco gehört.
Hübsch war er, dunkle, gelgestylte Löckchen, ein rundes Gesicht mit frecher Stupsnase. Breite, schön geschwungene Lippen, die sie offen anlachten. Sie hatten sich unterhalten und Aperol Spritz getrunken. Jetzt lag er da, den Mund leicht geöffnet wie eine Muschel. Die Lippen blutleer, die grauen Augen starr und die Glieder verrenkt. Sie rackerte sich ab, ihn in die richtige Stellung zu zerren. Dabei geriet die Lockenpracht über dem pausbäckigen Jungengesicht in Unordnung. Sie strich ihm die Haare zurecht, bevor sie sich über ihn beugte. Noch war Blut in ihm, noch war sie hungrig. Sie beugte sich über ihn und biss zu.
Der Sex mit ihm war fulminant und wild gewesen. Als aufmerksamer Liebhaber ging er willig auf ihre Bedürfnisse ein, und einen Augenblick lang wurde sie schwankend. Doch dann betörte die kräftig schlagende Ader an seinem Hals ihre Sinne. Als sie ihn an dieser Stelle küsste, das Pulsieren unter ihrer Zunge spürte, überkam sie ein leidenschaftliches Verlangen. Sie roch bereits das süße, warme Blut, konnte es schon zu schmecken. Ihr Körper bäumte sich in einem heftigen Orgasmus auf und Sekunden später spürte sie seinen Höhepunkt. In diesem Augenblick biss sie zu.
Immer noch saugte sie Blut aus seinem abkühlenden Leib. Jetzt, da ihr erster Hunger gestillt war, mit Bedacht und Genuss. Mit jedem Schluck fühlte sie neue Kraft durch ihren Körper strömen, während der seine langsam unter ihren Blicken verdorrte. Sie war bereit, den Kampf um Gut und Böse wieder aufzunehmen.
Eine lange Weile lag sie noch wie berauscht neben ihm, saugte die letzte Energie aus seinem jugendlichen Körper. Dann musste sie sich sputen, da der Mond bereits zu verblassen begann. Sorgsam kleidete sie sich an. Am Schluss warf sie den schwarzen Umhang über und bedeckte ihr langes, dunkles Haar mit der Kapuze. Sie drückte dem jungen Mann einen letzten Kuss auf die Muschellippen und dankte ihm.
Auf dem schäbigen Flur des Stundenhotels traf sie Valerius. Auch er hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, aber seine Augen lachten sie an. Sie umarmten sich und schmiegten sich ganz fest aneinander. Dann verließen sie die Absteige.
Der Glatzkopf hinter dem Tresen wirkte im fahlen Licht wie ein Zombie. Der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, mit leicht geöffnetem Mund schnarchte er leise, als zwei Schatten vorbeihuschten und das
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