Vampyrus
plötzlich über die hüfthohe Absperrung sprang, machten ihm klar, dass es doch kein Traum war. Das Gewehr dröhnte zwei Mal, das Tier wurde im Sprung herumgerissen, die Kugeln bohrten sich in Kopf und Seite.
„Ha Irmi, jetzt siehst du mal, warum ich immer hinter dem Haus schießen übe“, rief Martin laut. Das Schwein, obwohl tödlich getroffen, rappelte sich jedoch schon wieder auf und knurrte tief. Noch nie hatte er ein Schwein so ein Geräusch von sich geben hören. Martin blinzelte: Wieso war es nicht tot? Er wollte das Jagdgewehr nachladen, doch er war nicht schnell genug, das Schwein sprang ihn an und die Munition fiel ins Stroh. Er sah das geifernde Maul und die spitzen Zähne genau vor sich, roch den stinkenden Atem. Es roch nach altem fauligem Fleisch. Martin versuchte das Vieh wegzudrücken, dabei rissen zwei Knöpfe seines Hemdes und das Silberkreuz, das er seit seiner Kommunion trug, kam zum Vorschein. Das Schwein quietschte und fuhr zurück.
Martin brauchte einen Augenblick, bis er verstand. Das Kreuz! Er hielt es, soweit es die Kette zuließ vor sich, und trieb das Schwein vor sich her, bis in eine leere Ecke des Stalls. Wenn das Kreuz funktionierte … Er sah sich kurz um. An der Seite lehnte die Mistgabel mit dem angeknacksten Stiel, er hatte ihn reparieren wollen, doch jetzt nahm er die Gabel und knallte den Stiel auf die kleine Abtrennungsmauer. Der Stiel brach, das Teil mit der Mistgabel fiel auf die andere Seite. Martin hatte nun eine Art kurzen Holzspeer in der Hand. Ein Pflock, mit einem Pflock ins Herz tötete man Vampire. Er holte aus und stieß mit aller Kraft zu. Mit einem widerlich knirschenden Geräusch bohrte sich der Pflock in das Schweineherz. Das Monster jaulte auf, dann rührte es sich nicht mehr. Martin stieß es vorsichtig mit der Schuhspitze an, es fiel auf die Seite und war ganz augenscheinlich tot. Er atmete auf. Hinter ihm wurde die Stalltüre geöffnet, er wirbelte herum, doch es standen nur Irmi und seine Tochter Emilia in der Tür, die die Schüsse gehört hatten. „Mann, Papa, das ist ja voll krass, ey!“, flüsterte Emilia.
Inzwischen war Marcel, der dem Geruch des Schweins gefolgt war, beim Bauernhof angekommen. Er sah gerade noch, wie Sira im Stall verschwand, und folgte ihr sofort. Wieso hatte er sich das nicht gleich gedacht, das Schwein war wieder dahin zurückgegangen, wo es hergekommen war. Im Stall stand ein blutbespritzter Bauer über dem gepfählten Schwein und zwei entsetzte Frauen waren gerade dabei, sich vorsichtig das tote Vieh anzusehen. Nun fuhren alle drei erschrocken zu ihm herum. Auf der Brust des Mannes funkelte das schmerzhafte Ding. Marcel spürte, wie das Zeichen des Erlösers an seinem Herzen zog, wie es sein Herz zum Schlagen bringen wollte – oh, dieser Schmerz! Er wandte sein Gesicht ab und stolperte zurück, Sira trat ihm auf die Füße, dann drehte sie sich herum und verschwand in der Nacht.
„Scheiße, noch so ein Biest. Los, hinter meinen Rücken!“ Der Bauer zog seine Frau hinter sich, seine Tochter entwischte ihm jedoch. „Mensch Papa. Das ist ein echter Vampir. Sieh nur, wie er seine Reißzähne fletscht. Cool!“
„Komm sofort her.“ Der Bauer machte einen Schritt auf seine Tochter zu, doch Marcel war schneller. Er packte die Tochter am Arm, riss sie zu sich heran und wich wieder bis an die Wand zurück. Die Kleine wehrte sich nicht einmal, dabei hatte er sie gar nicht bezirzt. „Pack das Kreuz weg“, zischte er, „und ihr passiert nichts.“ Reglos glotzte ihn der Typ an. Seine Frau trat neben ihn und versuchte sein zerrissenes Hemd über dem Kruzifix zu schließen. „Bitte“, flüsterte sie, „tun Sie Emilia nichts.“
Das Mädchen regte sich und Marcel packte fester zu, doch sie wollte gar nicht entkommen. Sie strich sich die schwarz gefärbten Haare zur Seite und entblößte ihren Hals. „Bitte beiß mich, mach mich zum Vampir. Oh, davon träume ich schon so lange …“
„Emilia!“, brüllte ihr Vater. „Hör auf, dich so zu benehmen.“ Dann sah er Marcel an. „Ich habe sie wieder erkannt. Das war meine Sau, meine Zuchtsau. Was hast Du mit ihr angestellt, du blöder Glitzerheini? Meine Tochter wird nicht so ein Monster. Siehst Du, das Kreuz ist verdeckt. Lass meine Tochter los und hau ab.“
Marcel leckte sich über die Lippen, was für eine vertrackte Situation. Und dieser Schwachsinn mit dem Glitzern. Sogar der alte Knacker hatte diesen verschwuchtelten Vampirfilm gesehen. Er wünschte sich so sehr
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