Vampyrus
wieder ins achtzehnte Jahrhundert zurück. Das waren noch Zeiten. Er schüttelte den Kopf, um wieder ins Hier und Jetzt zurückzufinden. „Okay, ich lasse sie laufen …“
„Oh nein, bitte, beiß mich.“ Emilia stellte sich nun sogar auf Zehenspitzen. Oh, wie süß ihr Blut roch, Jungfrauenblut. Er hatte sich heute noch nicht genährt. Er sollte sie einfach alle niedermähen, sich dem Blutrausch hingeben, wie früher. Nein, das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Nicht wegen der örtlichen Polizei, die kratzte ihn nicht. Doch die Magier würden anfangen in der Umgebung zu jagen. Bis jetzt waren Sira und er hier sicher gewesen. Sira, wie weit war sie weggerannt? Nun, sie war noch jung.
„Beiß mich, beiß mich.“ Das verrückte Mädchen wand sich in seinem Arm. „Wenn du ruhig bist“, sagte er und blinzelte dem Bauern zu. Dann bezirzte er den Bauern und seine Frau. Der Bauer holte einen Spaten und fing an weit hinter dem Schuppen ein Loch zu schaufeln. Marcel würde ihm helfen, das Schwein in das Grab zu werfen. Wenn alles vorbei war, würden sie sich alle an einen tollwütigen Fuchs im Schweinestall erinnern. Dabei war leider noch ein Schwein gestorben. Marcel brauchte schließlich eines für einen neuen Versuch. Und das Mädchen, die brauchte noch eine Lektion. Verdammt. Eigentlich brauchte ihre ganze Generation eine Lektion. Glitzernde Vampire, die mit Sterblichen herumknutschten, ohne sie zu beißen. Igitt. Er würde sich noch etwas einfallen lassen. Mit dem Bezirzen des Mädchens würde er sich noch Zeit lassen. Dazu brauchte er eine richtig gute Geschichte. Er grinste. Zum Vampir würde er diese Irre jedenfalls nicht machen. Vampire überlegten genau, wen sie zu Ihresgleichen erhoben. Hm, vielleicht war das doch eine blöde Idee mit dem Vampirschwein.
Peter Hellinger
Bram Stokers Tagebuch
3. Mai 1897, Budapest
Budapest ist die erwartet großartige Stadt. Mein erster Eindruck war, man verlässt den Westen und betritt den Osten. Beeindruckende Brücken führten über die Donau, die hier sehr weit und tief ist, und brachten mich in die mehr türkisch geprägten Stadtteile. Ich hatte Dinner im Hotel Royale, wo ich Hühnchen aß, mit einer Würze aus rotem Pfeffer, sehr schmackhaft. Man sagte mir, dies sei ein „Paprika Hendl“, eine Art Nationalgericht, welches ich überall auf meiner Reise durch die Karpaten bekommen könne. Später schlenderte ich über den Kettensteg und dann hinauf zum Blocksberg. Leider zwang mich dichter Nebel dazu, meinen Erkundungsgang abzubrechen. Hätte zu gerne die Stelle gesehen, an der Bischof Gellert hingerichtet wurde.
Gabriele Stegmeier
Budapest
K arl erwachte in völliger Dunkelheit. Er spürte eine schmerzende Übelkeit. Hunger! Er wollte aufstehen und etwas essen, doch er stieß sofort mit dem Kopf gegen ein Holzbrett. Verwundert tastete er um sich, spürte gleich über und neben sich Holzwände. Sein Herz raste plötzlich, und er atmete keuchend. Sein Gehirn reagierte langsamer als sein Körper. Erst nach und nach wurde ihm klar, dass er in einem Sarg lag, in einem Grab, tief unter der Erde. Er war tot.
Aber er war nicht gestorben, er erinnerte sich nicht, gestorben zu sein. Es war alles ein schrecklicher Irrtum, er lebte doch. „Warum muss immer mir so etwas passieren, verdammt noch mal?“, fluchte er. Sollte Liese etwa recht behalten? Sie hatte ihm dauernd gesagt, er solle nicht fluchen, das sei gotteslästerlich. Der Herr würde sich das nicht gefallen lassen, sondern die Sünder mit seinem Schwert richten. Vorsichtig tastete er seinen Hals ab; der Kopf war noch dran. Also hatte Gott zumindest nicht sein Schwert genommen. Er gelobte inbrünstig von jetzt an ein gottgefälliges Leben zu führen, insbesondere nie mehr zu fluchen und sonntags zur Messe zu gehen, würde dieser ihm nur helfen, aus dem Grab raus zu kommen.
Mit dem Kopf, mit Händen und Füßen trommelte er wild gegen die Holzplanken des Sargs. Als nichts geschah, hielt er schluchzend inne. Tränen strömten ihm aus den Augen, Rotz lief aus der Nase und aus seiner Kehle kamen wimmernde Laute. Nur langsam beruhigte er sich, doch schließlich wischte er die letzten Spuren seines Panikanfalls aus dem Gesicht. Zu seiner Überraschung war der Sarg jetzt in ein diffuses rotes Licht getaucht. Er sah den Deckel gleich über sich und mit etwas Anstrengung konnte er das Ende der Kiste samt seinen Füßen erkennen. Sein Blick fokussierte sich auf eine Ritze zwischen Deckel und Sarg.
Jenseits dieser
Weitere Kostenlose Bücher