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Vampyrus

Vampyrus

Titel: Vampyrus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hellinger , Gabriele S. Schlegel
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Meister würde das nie verstehen. Er hatte auch nicht verstanden, dass er jeden Tag mehrmals auf die Galerie, wo die Haut zum Trocknen gespannt war, gestiegen war.
    „Hast dich wieder im Trockenboden rumgetrieben, du Nichtsnutz, statt zu arbeiten“, schimpfte er, wenn er ihn beim Herunterkommen erwischte.
    „Ich habe nur schnell die Holzknebel kontrolliert“, pflegte er sich dann zu rechtfertigen, „habe einige gelockert und andere nachgezogen, damit die Haut wieder ganz gleichmäßig gespannt ist.“
    „So oft wie du die nachziehst, hat die Haut dazwischen ja gar keine Zeit zum Trocknen“, grummelte der Meister, ließ ihn aber machen. Denn das regelmäßige Nachjustieren der Holzknebel war wichtig für eine gleichmäßige und kontrollierte Spannung der Haut. Da diese nicht an allen Stellen gleich dick war, trocknete sie unterschiedlich schnell. Hans achtete peinlich genau darauf, dünne, trockene Stellen wieder zu befeuchten, damit sie nicht hart und durchsichtig wurden, während er dicke Stellen vorsichtig durch festeres Spannen in die Breite zog. Wenn er ganz genau hinsah, erahnte er die Stelle, die sein Blut benetzt hatte. Die Fasern dort schienen ein bestimmtes Muster zu bilden, und er zermarterte sich das Hirn, was es bedeuten könnte.
    Während er grübelnd ans Denkmal gelehnt stand, schweifte sein Blick über die Sebalduskirche, blieb an den hohen Fenstern hängen, die horizontal und vertikal durch viele Streben in kleinere Abschnitte unterteilt waren, um den Butzenscheiben Halt zu geben. Er fragte sich, warum wohl jeweils in der Mitte eines solchen Vierecks, eine der Scheiben größer war. Und dann wusste er es. Er blickte zum Chörlein des Hauses auf Dürers linker Seite. Im Fensterrechteck in der Mitte waren nur am Rand Butzenscheiben, mittig enthielt es ein Quadrat mit einer größeren Scheibe. Verschwommen konnte er ein Gesicht dahinter ausmachen.
    Plötzlich fügte sich in seinen Gedanken alles zusammen. Es war dieses undeutliche Muster, das sein Blut auf die Haut gemalt hatte. In diesem Haus war sein Pergament, in diesem Haus war Meister Varn! Er stand im Chörlein und beobachtete ihn. Mit großen Schritten eilte er zur Haustür und klopfte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Tür geöffnet wurde.
    „Ich bin hier“, sagte er statt einer Begrüßung. Die Worte kamen abgehackt, atemlos, weil sein Herz so arg gegen seine Rippen hämmerte. „Das sehe ich. Was willst du?“ „Ich will zu meiner Haut!“ „Lass ihn rein, Adva“, kam eine Stimme von oben. „Ich will mit ihm reden.“ Hans atmete auf. Es war Varns Stimme, er hatte es geschafft.
    Der Diener führte Hans die Stiege hoch in einen großen Raum. Wände und Decke waren mit fast schwarzem Holz verkleidet, es war dämmrig, da wenig Licht durch die kleinen Fenster drang. Hans’ Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, bevor er Varn in seinem dunkelroten Umhang in einer Ecke sitzen sah. „Komm her Junge und teile mir mit, warum das Pergament dich nicht loslässt.“
    Für einen Augenblick glaubte Hans, er müsse auf der Stelle tot umfallen. Woher wusste Varn von seinem Geheimnis? Was sollte er jetzt machen? „Ich … ich“, stotternd vor Angst brachte er kein weiteres Wort heraus, blickte Meister Varn nur entsetzt an.
    „Weißt du, dass es mit der Haut eine ganz besondere Bewandtnis hat?“ Hans zuckte die Schultern. „Du ahnst es“, fuhr der Meister fort als spräche er zu sich selbst. „Du fühlst, was von ihr ausgeht. Zwischen euch ist etwas vorgefallen, das sich meiner Kenntnis entzieht, und du würdest alles tun, dich in den Besitz des Pergaments zu bringen. Aber das kann ich nicht zulassen.“ Er schüttelte den Kopf. „Du bist eine Gefahr für mich. Sag mir, was ich jetzt mit dir tun soll. Dich töten?“
    „Aber das könnt ihr nicht, die Haut ruft nach mir, sie braucht mich!“ Hans sprudelte die Worte heraus, ohne nachzudenken. Es war undenkbar, dass er starb, jetzt, wo er seiner Haut wieder so nahe war. Doch Meister Varn lachte nur bösartig auf. „Du glaubst, dich braucht die Haut? Du törichter Narr, sie will Blut. Das ist ihre Bestimmung.“
    Bei dem Wort Blut war Hans ganz schwindlig geworden, und Varn musterte ihn nachdenklich. „Blut, das ist es. Habe ich recht? Die Haut hat dein Blut bereits getrunken und lässt dich nicht mehr los. Sie bestimmt über dich, macht dich zu ihrem Werkzeug. Du tust mir fast leid. Deshalb werde ich dich töten und erlösen.“
    „Nein“, schrie Hans auf. „Das

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