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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Illyricum, als Tiberius die aufständischen Dalmater niederwarf, stieg er durch die eifrige Übernahme schwieriger Aufgaben vom Anführer eines germanischen Aufgebotes zum ordentlichen Praefecten auf und erwarb sich durch schlaue Beutezüge ein Vermögen, das ihm als römischem Bürger die Aufnahme in den Ritterstand sicherte. Bei seiner Rückkehr in heimatliche Gefilde erreichte ihn nicht unerwartet die Beförderung zum Tribun.
    Als Vala bemerkte, dass Arminius seinen Blick eingefangen hatte, zwinkerte er ihm zu. Sie wechselten ein jungenhaftes Grinsen, bis der Sklave mit der Schöpfkelle zu Vala trat, um seinen Becher wieder zu füllen. Arminius erhob und verneigte sich vor dem Statthalter, murmelte einige Abschiedsworte.
    »Schade, dass du gehst.« Varus reichte ihm die Hand, in die der Cherusker einschlug. »Ich erwarte dich übermorgen auf dem Gerichtsplatz.«
    Arminius nickte knapp, dann wandte er sich ab und trat in den Hauptraum. Ein Sklave begleitete ihn zur Tür, und als
diese zuklappte, seufzte Varus. »Was denkt ihr von seinen Vorschlägen?«
    Sein Blick wanderte über die Gesichter der verbliebenen Gäste, die unbehaglich schwiegen. Nervius starrte mit verhärteter Miene vor sich hin, und seine Kiefer mahlten langsam, aber auffällig. Aus dem Augenwinkel erkannte Vala, dass Varus den Centurio mit richterlicher Strenge musterte.
    »Mir solltest du diese Frage nicht stellen«, brummte der Centurio schließlich.
    »Weil du nicht billigst, dass ich Iulius Arminius großes Vertrauen entgegenbringe?« Varus lehnte sich in die Kissen zurück, streckte die langen Beine auf der Kline aus und lächelte. »Wie du siehst, hat das Gerücht den Weg auch zu mir gefunden.«
    Verdrossen runzelte Vala die Stirn bei dem Gedanken, dass die heutige Einladung keinem anderen Zweck diente als diesem unangenehmen Gespräch, das keine Klärung bringen würde. Nervius war ein erfahrener Soldat, er war durch Feuer und Eisen gegangen, hatte tiefe Wunden davongetragen, Freunde begraben. Er war argwöhnisch bis ins Mark.
    »Ich schätze diesen jungen Burschen sehr«, begann Varus. »Er scheint all das zu verkörpern, was unsere Vorväter auszeichnete: Mut, Geist, Stärke und die Würde eines Kämpfers - all das, was uns Römer dereinst zum mächtigsten Volk des Erdkreises machte und was wir durch die Bürgerkriege verloren zu haben fürchten.« Ein dünnes Lächeln flog über sein Gesicht. »Auch wenn jetzt ein neues Goldenes Zeitalter angebrochen ist. Aber ich bin nicht so einfältig, den Ehrgeiz zu unterschätzen, der diesen Arminius antreibt, und den Stolz, der in ihm brennt.«

II
    In der Dunkelheit kauerte das Mädchen auf dem harten Boden. Die Arme um die Knie geschlungen, auf denen ihr Kinn ruhte, schmiegte sie ihren Rücken in eine Ecke der Kammer und starrte in die blinde Finsternis. Der kalte Verputz ließ sie frösteln. Sie wollte nicht schlafen, wollte nicht vollkommen hilflos dem Fremden, der sie hierhergeschleift und eingesperrt hatte, ausgeliefert sein, wenn er zurückkehrte. Denn dass er zurückkehren würde, um sein Recht am gekauften Leib geltend zu machen, daran bestand kein Zweifel.
    Es war still geworden im Haus und auf dem Hof. Nachdem ihr Peiniger sie ohne Licht hier zurückgelassen und die Türe von außen versperrt hatte, waren es die Geräusche aus dem Untergeschoss und den umliegenden Zimmern gewesen, die sie so verängstigt hatten, dass sie sich in einem Winkel verkroch, so weit es die Kette, die der Mann ihr angelegt hatte, zuließ. Dann hatte sie die Augen zugekniffen, die Hände auf die Ohren gepresst und lautlos Gebete gemurmelt, Gebete an Frija, an die Idisen, an Austro - Götter und Geister, die Wärme und Helle verhießen.
    Eine Weile hatten die Gebete gewirkt. Bis sie, zermürbt vom Rauschen in ihrem Kopf, die Hände von den Ohren genommen hatte und in das schweigende Dunkel gestürzt war, in dem böse Geister lauerten.

    Noch nie in ihrem ganzen Leben war sie allein gewesen, sie, Thiudgif, Tochter des Sahsmers. Ihr Vater war ein angesehener Mann, ein Krieger, der Hand und Waffen mächtigen Fürsten geliehen hatte. Eine alte Verletzung hatte ihn zwar davor bewahrt, sich römischem Befehl unterwerfen zu müssen, aber die Abgabenlast hatte ihn um sein Land gebracht und den letzten Rest Würde. Geblieben waren ihm nach dem Tod seiner Frau ein kränkliches Söhnchen, das bald darauf gestorben war, und sie, Thiudgif, die Tochter. Der Vater hatte sie dem Bruder der Mutter anvertraut, damit sie bis zu

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