Varus - Historischer Roman
Barbaren sind weitgehend in Einheiten gebunden, der Rest, der zum Bestellen der Äcker benötigt wird, entwaffnet. Was hätten Männer mit Mistgabeln unseren Legionen entgegenzusetzen?«
Gelächter erhob sich ringsum, sogar Vala schmunzelte und schüttelte den Kopf.
»Härte.« Mit einem einzigen Wort brachte Arminius die allgemeine Heiterkeit zum Versiegen. »Ja, Härte! Eine Härte, die stärker ist als die Angst vor dem Tod.«
»Daran, dass die Barbaren zwischen Rhenus und Albis und darüber hinaus hart sind, besteht kein Zweifel«, sagte Vala. »Diese Härte habt ihr in den Kriegen gegen Maroboduus und gegen die Illyrer deutlich zur Schau gestellt.«
»Haben wir das?« Arminius lächelte versonnen. »Ihr kennt nicht alle Sitten dieser Stämme, schon gar nicht die der Stämme jenseits des Albis, die den Bernstein sammeln oder Pelze und goldenes Frauenhaar. Ihr wisst auch nichts von dem Schwur, den unsere Ahnen schworen, wenn sie die Geister der im Kampf Gefallenen in ihre Reihen holten, um ihre Feinde zu vernichten.« Er hob den Kopf, blickte die Offiziere nacheinander an. »Sie weihten das gesamte gegnerische Heer dem Tod, jeden einzelnen Mann. Das Blut der Feinde sollte für den Führer der Geisterschar fließen, damit seine Wut in die Krieger einflösse und sie stärker, wilder und grausamer machte, als es Menschen möglich ist. Und wer fällt, kämpft als Geist weiter, bis alle Feinde tot sind und mit ihrem Blut die Erde tränken.«
»Eine Sitte, die den Wilden alle Ehre macht«, wandte Nervius trocken ein und beendete damit die eintretende Stille. »Aber gegen eine geschlossene Schlachtreihe können ein paar barbarische Horden trotzdem nicht viel ausrichten.«
Vala sah Arminius’ Augen aufblitzen, glaubte zu bemerkten, wie der Barbar zu einer scharfen Erwiderung ansetzte, sich dann jedoch zurückhielt und schwieg. Dieser junge Offizier hatte mit seinen Männern Widerstandsnester der Illyrer und ihrer Verbündeten ausgebrannt wie eitrige
Wunden, aber es zeichnete ihn aus, dass er diese Wildheit bemeisterte und nur im Kampf vom Zügel ließ.
Varus wandte sich dem Barbaren zu und tätschelte seine Schulter. »Die unruhigen Stämme sind nicht von dieser Art, Arminius. Lass ihnen dieses Jahr! Wir können nicht überall gleichzeitig sein. Schließlich gibt es sehr viel zu tun, seitdem wir die Märkte erneuert und erste Siedlungen errichtet haben.« Als Arminius sich straffte und den Mund öffnete, fuhr Varus fort: »Leidenschaft und Kampfesmut sind die Vorzüge der Jugend - Besonnenheit hingegen zeichnet den reifen Mann aus. Es mag Unzufriedenheit geben bei einigen Stämmen, aber dies ist nicht die Zeit der Feldzüge und Schlachten. Es ist die Zeit, diesen wilden Völkern die Vorzüge des Friedens nahezubringen: Gerechtigkeit, Handel, Wohlstand. Sollte uns das nicht gelingen, bleibt uns immer noch das Schwert. Aber für jetzt«, er hob den Zeigefinger, »wollen wir uns auf eine Verurteilung und deren Vollstreckung verlegen als warnendes Beispiel für alle Unterworfenen, was ihnen widerfährt, falls sie sich dennoch gegen uns erheben. Das, mein junger Freund, ist Ausübung der Gerechtigkeit, die wir den Völkern geben. Wenn Caesar Augustus die Absicht hätte, diese Völker blutig zu unterwerfen, hätte er einen anderen als mich hierhergeschickt.«
Arminius hatte die Augen ein wenig verengt angesichts der freundlichen Zurechtweisung, er verschränkte die Finger, streckte die Arme steif von sich, bis die Knöchel leise knackten, während Varus das Gespräch mit den anderen Gästen suchte. Vala trank dem Cherusker lächelnd zu, denn auch er kannte die wohlmeinenden Vorträge, die Varus seinen Untergebenen von Zeit zu Zeit angedeihen ließ, nur zu gut.
Arminius war als halbwüchsiger Junge mit seinem jüngeren
Bruder in römische Obhut gelangt; Geiseln, für die das Feldlager zum Elternhaus wurde und an denen ein Legat Vaterstelle vertrat. Viele Fürsten unterworfener Völker stellten ihre Söhne als Geiseln, und so mancher Sprössling aus fremdländischem Königsgeschlecht verbrachte die zarten Knabenjahre im Haus des Caesar Augustus oder bei anderen führenden römischen Familien. So geschätzt wie die Söhne östlicher Potentaten waren Arminius und sein Bruder zwar nicht, aber eine umfassende soldatische Ausbildung stellte ihnen zumindest einen Offiziersrang in Aussicht. Arminius jedoch hatte eine Laufbahn abgeleistet, die für einen jungen Barbarenfürsten ungewöhnlich war; während der Feldzüge im
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