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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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um das Zittern zu unterdrücken. Sie schauderte bei der Erinnerung an den süßlichen Geruch des Sklavenhändlers, an seine tatschenden Hände. Ihre Leute würden sie hier herausholen. Auch wenn
sie den ganzen Tag vergebens gewartet hatte, klammerte sie sich an die Hoffnung, dass ihr Onkel noch in den Morgenstunden käme, um sie auszulösen und zurückzubringen in sein Haus, in Sicherheit.
    Doch niemand kam. Stattdessen wurde beim ersten Morgengrauen eine kleine Schar Frauen und Mädchen auf den Hof getrieben, wo bereits einige zumeist junge Männer mit hängenden Köpfen herumstanden. Jede Gegenwehr erschien nutzlos; starr vor Angst ließ Thiudgif es geschehen, dass bronzene Reifen um ihre Handgelenke gelegt und durch eine lange Kette mit den Fesseln der anderen Frauen verbunden wurden. Das Knallen der Peitsche lähmte sie, sie umarmte sich krampfhaft, als könnte sie sich dadurch schützen. Sie wurde geschubst, vorwärtsgeschoben in der Menge, setzte steif Fuß vor Fuß, zuerst wankend, dann gestützt von den anderen, die sich um sie drängten und weiterbewegten wie totes Holz, das man angestoßen hatte.
    So gingen sie vom ersten fahlen Tageslicht bis zum Einbruch der Nacht, Schritt für Schritt, meist schweigend; manchmal wagte es eine, ein klagendes Lied zu summen, manchmal fielen andere ein, doch kaum begann eine zu weinen, wurde sie von den rüden Drohungen der Männer, die den traurigen Zug auf Maultieren begleiteten, zum Schweigen gebracht. Vorneweg ritt der Sklavenhändler auf einem großen dunkelbraunen Pferd.
    Thiudgif hatte sich rein gehalten in den zwei Tagen des Marsches, war von keinem der Bewacher angefasst worden, und kaum hatte sie erkannt, dass der Weg sie zum Hauptquartier des römischen Statthalters führte, war die Hoffnung neu aufgeblüht, ihr Onkel würde kommen, um sie auszulösen, oder ihr Vater, um sie zurückzufordern. Sogar die lüsternen Blicke des Sklavenhändlers, mit denen er sie und
andere Mädchen gelegentlich bedacht hatte, schienen vergessen. Doch seitdem sie bei ihrer Ankunft nur wieder in einen Pferch, vollgestopft mit Menschen, gescheucht worden war, als sie schließlich in der Nacht einem Fremden ausgeliefert wurde, der sie in dieses finstere Loch gesperrt hatte, war diese Zuversicht wie eine ausgebrannte Talglampe erloschen.
    Tränen quollen in ihre Augen, und eine bleischwere Lähmung drückte sie nieder. Krampfhaft ballte sie die Fäuste, spannte die Schultern an, setzte sich auf und atmete mit zusammengebissenen Zähnen tief an gegen das Dunkel, das sich ihrer bemächtigen wollte. Es musste eine Möglichkeit geben zu entkommen. Langsam streckte sie den linken Arm aus, tastete über den Boden. Sie brauchte eine Waffe. Einen Stock. Eine Scherbe. Etwas Scharfes, Spitzes. Der Mann, der sie eingesperrt hatte, würde wiederkommen, daran bestand kein Zweifel. Er würde sie schänden, wie viele andere Frauen auf dem Weg hierher geschändet worden waren, denn dafür hatte er sie ja gekauft. Ihre Finger berührten festgestampften Lehm, Sandkörner, Strohhalme, sie streckte sich aus, dass die Kette, mit der ihr Peiniger sie gefesselt hatte, leise rasselnd über ihre Fußsohlen glitt, kroch blind vorwärts, bis ihre Hände an die Wand stießen.
    Sie hielt inne, schmiegte sich an den Boden, lauschte angestrengt, doch kein Laut ließ sich vernehmen. Nur fernes Schnarchen drang durch die dünnen Wände. Sie ließ die Hände über den Boden wandern, bis die Finger auf einen etwa fingerdicken Stab stießen. Als sie die Hand darum schloss, erkannte sie Holz, einen armlangen Stecken.
    Hastig wich Thiudgif zurück zu der hohen Bettstatt, kauerte sich davor, die gefundene Waffe umklammernd. Ein fahler Schimmer stahl sich durch die Ritzen der Fensterläden
herein, tauchte die Kammer in dunkles Grau. Sie wartete.

    Marcus Caelius rückte unauffällig die silbernen Ehrenscheiben auf seiner Brust zurecht, während er die erste Reihe seiner Centuria abschritt. Obwohl die Soldaten vor sich hin starrten, als beachteten sie ihn nicht, wusste er, dass ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit galt. Der Statthalter hatte die Aufstellung der drei Legionen angeordnet, um die Truppen wenige Tage vor dem Abmarsch nochmals in Augenschein zu nehmen.
    Varus würde zufrieden sein. Auf Helmen und Schildbuckeln blitzte das Sonnenlicht, wetteiferte mit dem Glanz der Bronzebeschläge auf Gürteln und Schwertscheiden, und die Kettenhemden schimmerten hell. Diesen Anblick würde er vermissen, wenn er erst seinen Abschied

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