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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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eindringliche Blick des jungen Mannes missfiel Ceionius, mehr noch als dessen Worte. »Was soll die Frage? Etwas anderes bleibt ihm ohnehin nicht übrig.«
    »Es wäre mir lieber, wenn ich dem Statthalter mein Unbehagen mitteilen könnte …«
    »Machst du Witze? Arminius und Segimerus gehören zu Varus’ engsten Beratern. Sie verkehren fast täglich in dessen Haus, und besonders Arminius ist ihm geradezu ans Herz gewachsen - du hingegen bist ein Tribun aus dem Senatorenstand, und du weißt, wie er über euch denkt?«

    Caldus verzog das Gesicht, als hätte er in unreifes Obst gebissen. »Er hält uns für eingebildete junge Tölpel ohne jede Erfahrung«, nuschelte er.
    »Und du legst es wahrhaftig darauf an, ihn darin zu bestärken!«
    In trotzigem Schweigen fuhr der Tribun fort, den Becher zu drehen. Der Lagerpraefect verkniff sich das Schmunzeln über den gemaßregelten Buben. Der Jüngling hatte erst im Frühjahr seinen Dienst angetreten, es war sein erster Posten als Offizier; obwohl unerfahren, war er anstellig und diszipliniert wie nur wenige. Man konnte ihn sich erziehen.
    »Es wäre mir wichtig, dass Varus Kenntnis erhielte von meiner Besorgnis.« Caldus war aufgestanden, übergab den Becher dem Sklaven und blickte Ceionius entschlossen an. »Ich bedaure, dich belästigt zu haben, es soll nicht wieder vorkommen.«
    Als die Tür hinter dem Tribun zugeklappt war, griff Ceionius zerstreut wieder nach den Tafeln, schüttelte den Kopf und vertiefte sich in die Lektüre eines Tagesberichtes. Urlaubsanträge. Ein übereifriger Tribun mit Unbehagen. Verächtlich schürzte Ceionius die Lippen, schlug die Wachstafel zusammen, stand auf, um an die Tür zum Nebenraum zu klopfen. Ein einarmiger Gefreiter öffnete.
    »Schreib mir eine Nachricht an den Statthalter des Augustus«, sagte Ceionius schmunzelnd. »Wir haben da einen übereifrigen jungen Tribun, der ein wenig Nachhilfe im Umgang mit unseren germanischen Hilfstruppen braucht.«

    Annius genoss die abendliche Sonne, die seine Tunica durchwärmte, während er mit zwei seiner Stubenkameraden das Lager verließ und die breite Hauptstraße hinunterschlenderte.
In seinem bronzenen Armreif klimperten genug Münzen, dass er sich bis zur Besinnungslosigkeit würde betrinken können, ohne auf die Liebkosungen eines hübschen, sauberen Mädchens verzichten zu müssen. Varus hatte an diesem Tag den drei Legionen und sämtlichen hier untergebrachten Hilfstruppen verkündet, dass sie in zehn Tagen gen Rhenus abmarschieren würden. Endlich wäre Schluss mit den leidigen Gerichtsverfahren, den trotzigen Barbaren, Schluss auch mit dem allzu häufigen Regen - obwohl sie in diesem Sommer davon wenig zu spüren bekommen hatten. Stattdessen spendeten die Brunnen lehmiges Wasser, das kaum mehr sauber zu filtern war. Kein Wunder, dass die Barbaren sich auf Bier verlegten, dieses fade, säuerliche Gebräu, bedeckt mit Schlieren von hellgrauem Schaum. Annius und seine Kameraden würden Wein trinken an diesem Abend, reinen Wein, dessen Trauben in der Italia gekeltert worden waren. Sie würden die Lagerbestände der Tabernenwirte versiegen lassen, prahlten die Kameraden und klopften einander lachend auf die Schultern.
    Eine Abteilung Bewaffneter kam ihnen entgegen, keine Soldaten, sondern eine Schutztruppe, bestehend aus Freigelassenen mit kurzen Schwertern und Peitschen; geführt wurden sie von dem feisten Sklavenhändler Fufidius auf einem ebenso feisten Gaul. Sie bewachten eine Gruppe Menschen, die sichtlich erschöpft die Straße heraufwankten, Sklaven, die Fufidius zu seinem Anwesen bringen ließ. Allein die Vorstellung von Ketten und Peitschenhieben ließ Annius schaudern; auch seine Kameraden waren still geworden, spähten aus den Augenwinkeln nach den zusammengetriebenen Menschen. Vorneweg gingen junge Burschen und Männer, doch kaum einer von ihnen würde sich zu schweren Arbeiten oder gar als Gladiator eignen. Hinten drängten sich Mädchen
und junge Frauen zusammen, deren Schicksal vorbestimmt war. Zumindest das der hübscheren unter ihnen.
    Da war ein Kupferton, der ihm nicht aus dem Sinn wollte, ein blasses Gesicht mit schmaler Nase, das sich ihm kurz zugewandt hatte. Er war vorübergegangen, jetzt drehte er sich um. Sie ging, mehr stolpernd, am Rand der Gruppe, die Schultern hochgezogen, mager wie ein neugeborenes Fohlen. Er erinnerte sich an dunkelblaues Tuch, an eine keifende Alte und ein junges Mädchen, stolz und zornig, das dem Spott der Soldaten mit blitzenden Augen

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