Vater unser
kennt sie. Dafür wissen alle, dass Levenson, Grossbach & Partner in der Lage sind, jede Meinung zu kaufen, die sie hören wollen.»
« Und die dritte Möglichkeit?», fragte Julia, da Dr. Barakat bereits Anstalten machte, aufzustehen.
« Die dritte?»
« Sie sagten, es gäbe drei mögliche Gründe für Marquette, warum er keine Einzelheiten des Tathergangs erzählt.»
« Na ja, die dritte Möglichkeit ist wohl eindeutig, oder?», entgegnete Barakat mit einem nüchternen Lächeln.
« Er war es nicht.» Im Raum wurde es still.
« Wie bitte?», fragte Lat schließlich.
« Ich habe nicht behauptet, dass ich dieser Meinung bin. Ich sage nur, dass der Mann entweder schizophren ist oder gerissen und intelligent genug, um es vorzutäuschen. Trifft das Letztere zu, ist er ein Soziopath. Trifft das Erstere zu, dann ist er ein sehr, sehr kranker Mann. Geistig gestörte Menschen legen bei Verbrechen oft falsche Geständnisse ab. Statistisch gesehen stehen Schizophrene ganz oben auf der Liste.»
« Diesen Punkt sollten wir im Auge behalten, Rick, falls Levenson ihn benutzt», sagte Rifkin.
« Um Marquette rauszuhauen, hat er nur zwei Möglichkeiten: Entweder, die Geschworenen haben Mitleid mit unserem armen Jungen und glauben, dass er es nicht getan hat. Oder sie glauben, dass er es getan hat, dass er aber krank war und nicht wusste, was er tat.»
« Verteidiger sind solche Arschlöcher», warf Brill ein und schüttelte verblüfft den Kopf.
« Dieses Mal ist es also keine Cartoonfigur, die dem Mörder den Verstand geraubt hat, sondern der Teufel. Und das reicht tatsächlich aus, um ‘nen Freispruch zu erwirken?» Wieder herrschte Schweigen im Raum.
« Der Teufel», spöttelte Rick schließlich, warf seinen Bleistift auf den Tisch und stand auf.
« Ich frage mich langsam, ob wir ihn auf die Zeugenliste setzen sollten.»
KAPITEL 69
S IE HABEN es aber eilig», sagte Lat. Die Besprechung war gerade erst zu Ende, und Julia hatte bereits ihre Sachen zusammengesucht und ihre Autoschlüssel in der Hand. Die anderen standen noch in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Sie wollte so schnell wie möglich verschwinden, aber sie wollte nicht die Erste sein, die geht.
« Ich muss meinen Hund aus der Hundebetreuung abholen, bevor sie um sechs Uhr schließt», erwiderte sie. Lat lachte.
« Hundebetreuung? Sie sind doch hoffentlich nicht so eine Neurotikerin, die ihren Hund keine Minute allein lässt?» Julia lächelte.
« Sehe ich etwa aus, als hätte ich ein Schoßhündchen zu Hause?»
« Nein. Ich würde Ihnen eher einen Akita zutrauen.»
« Er ist ein Beagle-Mix und heißt Moose.»
« Noch besser. Als Kind hatte ich auch einen Beagle, der immer stundenlang den Mond angeheult hat. Und warum muss der arme Moose in die Betreuung?»
« Ich bin erst heute Morgen aus New York zurückgekommen und hatte noch keine Zeit, nach Hause zu fahren. Deswegen auch die Eile.»
« New York?»
« Familie», erwiderte sie lediglich.
« Und dann sind Sie direkt hierhergefahren?» Lat stieß einen beeindruckten Pfiff aus.
« Kein Wunder, dass Sie Bellidos Liebling sind. Was machen Moose und Sie heute Abend?» Julia spürte, dass sie rot wurde. Doch bevor sie antworten konnte, trat Rick zu ihnen.
« Hi», sagte er lächelnd und legte eine Hand an ihren Rücken.
« Ein verrückter Tag, findest du nicht auch? Wir gehen noch zu Christy s und essen einen Happen. Willst du mitkommen?»
« Wir» waren höchstwahrscheinlich Charley Rifkin und der Polizeichef von MiamiDade, die beide zu ihnen herübersahen. Obgleich die Tischgesellschaft bereits ausreichte, um das heimische Erdnussbutter-Sandwich dem Steak vorzuziehen, gab es noch einen anderen Grund, warum sie auf keinen Fall mitgehen wollte – sie brauchte dringend eine Pause von David Marquette.
« Danke, aber ich möchte lieber nach Hause», erwiderte sie. Sie versprach Rick, ihn später anzurufen, nahm ihre Tasche und machte sich eilig auf den Weg zum Auto. Obwohl die Sonne bereits sehr tief stand, war das Wetter immer noch traumhaft. Kaum Luftfeuchtigkeit, fünfundzwanzig Grad, ein leichter Wind – diese Jahreszeit war die schönste im Süden Floridas. Während Julia auf den Parkplatz der Hundebetreuung einbog, kam ihr eine brillante Idee. Es wäre eine Schande, nur eine weitere Minute dieses wunderschönen Tages zu verpassen – wenn sie die Zeit mit ihrem Bruder eins gelehrt hatte, dann das. Statt also mit Moose direkt nach Hause zu fahren, schlug sie den Weg zur Strandpromenade von Hollywood ein.
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