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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Wenn Menschen nichts besitzen, bleibt ihnen immer noch ihr Stolz. Deswegen hat man den Armen den Mythos von der inneren Größe eingetrichtert: weil ihre Vorratsschränke leer waren. Hörst du mir zu? Das ist wichtig, Jasper. Ich möchte nicht, dass du irgendwas mit innerer Größe, Stolz oder Selbstachtung am Hut hast. Das dient alles nur dazu, um sich selber aufs Podest zu stellen.«
    Ich setzte mich mit gekreuzten Beinen auf den Boden. Drückte noch nicht mal den Rücken durch. Ich hockte einfach zusammengekrümmt da. Sie mussten sich bücken, um mir einen Kinnhaken zu verpassen. Einer von ihnen kniete sich dazu sogar hin. Sie wechselten sich ab. Sie versuchten, mich auf die Beine zu stellen; ich ließ mich einfach hängen. Einer zog mich hoch, doch ich war glitschig geworden und flutschte ihm durch die Hände hindurch zurück auf den Boden. Ich bekam zwar trotzdem eine Tracht Prügel, und mein Schädel wurde gefühllos unter den harten Fausthieben, die auf ihn eintrommelten, doch die Schläge kamen ungenau und ungezielt. Schließlich ging mein Plan auf: Sie ließen von mir ab. Sie fragten, was mit mir los sei. Warum ich mich nicht wehren würde. In Wahrheit hatte ich vielleicht zu sehr mit den Tränen zu kämpfen, um mich auch noch mit den Menschen herumzuschlagen, aber ich sagte kein Wort. Sie bespuckten mich und gingen, damit ich mir in Ruhe die Farbe meines Bluts ansehen konnte. Leuchtend rot hob es sich vom Weiß meines Hemds ab.
    Als ich nach Haus kam, fand ich meinen Dad auf meinem Bett sitzend vor, wie er mit vernichtendem Blick auf die Zeitungsausschnitte an der Wand starrte.
    »Großer Gott, was ist denn mit dir passiert?«
    »Ich will nicht darüber reden.«
    »Komm, wir machen dich jetzt erst mal sauber.«
    »Nein, ich möchte sehen, was aus Blut wird, wenn man es über Nacht drauflässt.«
    »Manchmal wird es schwarz.«
    »Das möchte ich sehen.«
    Ich wollte gerade die Bilder von Onkel Terry wegreißen, da sagte Dad: »Mir wär's lieber, du würdest sie abnehmen«, also ließ ich sie natürlich hängen. Dann sagte Dad: »Das war er nicht. Die haben einen Helden aus ihm gemacht.«
    Plötzlich stieg in mir doch wieder ein Gefühl der Verehrung für meinen aus der Art geschlagenen Onkel hoch, darum erklärte ich: »Er ist ein Held.«
    »Der Held eines Jungen ist sein Vater, Jasper.«
    »Bist du da ganz sicher?«
    Er drehte sich um und schnaubte verächtlich die Schlagzeilen an.
    »Du kannst gar nicht wissen, was ein Held ist, Jasper. Du bist in einer Zeit aufgewachsen, in der diese Bezeichnung weder Wert noch Bedeutung hat. Wir sind im Begriff, das erste Land zu werden, dessen gesamte Bevölkerung ausschließlich aus Helden besteht, die nichts anderes tun, als sich gegenseitig zu bewundern. Natürlich haben wir schon immer herausragende Sportler und Sportlerinnen als Helden verehrt - wenn du als Langstreckenläufer für dein Land siegst, bist du nicht nur schnell, sondern auch heroisch -, aber heutzutage musst du nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort sein, wie dieser arme Teufel, der von der Lawine verschüttet wurde. Dem Wörterbuch zufolge wäre er ein Überlebender, aber die Australier machen ihn gleich zum Helden; wen kümmert's, was das Wörterbuch sagt? Und außerdem ist heute jeder, der heil aus einem bewaffneten Konflikt heimkehrt, ein Held. Früher musste man sich im Verlauf des Krieges durch Tapferkeit auszeichnen, heute braucht man nur hinzugehen. Wenn heute irgendwo Krieg ist, ist Anwesenheit schon gleichbedeutend mit Heldentum.«
    »Und was hat das mit Onkel Terry zu tun?«
    »Nun, er fällt unter die letzte Kategorie. Er war ein Mörder, hat aber seine Opfer gut gewählt.«
    »Versteh ich nicht.«
    Dad wandte sich zum Fenster, und weil seine Ohren auf und ab zuckten, wusste ich, dass er Selbstgespräche führte, auf die ihm eigene kuriose Art, bei der er zwar die Lippen bewegte, aber sämtliche Laute verschluckte.
    Schließlich sprach er wieder richtig: »Die Menschen verstehen mich nicht, Jasper. Das ist auch nicht weiter schlimm, ist aber manchmal ärgerlich, weil sie denken, sie verstünden mich. Sie sehen jedoch bloß die Fassade, die ich in Gesellschaft zur Schau trage, und an dieser Martin-Dean-Persona habe ich über die Jahre kaum noch Änderungen vorgenommen. Sicher, eine kleine Auffrischung hier und da, du weißt schon, um mit der Zeit zu gehen, aber im Wesentlichen ist sie vom ersten Tag an unverändert geblieben. Die Leute sagen immer, der Charakter eines Menschen würde

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