Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel
einmal verstehen zu können, woher das alles komme: das Böse, das Schweigen, »und wie ein lieber Vater so etwas tun konnte und warum«.
Als wir uns trafen, war sie aus Altersgründen schon lange nicht mehr in ihrem Beruf.
»Stattdessen holt einen die Vergangenheit ein«, sagte sie.
»Und haben Sie es herausgefunden?«, fragte ich. »Woher das Böse kommt und warum ein Vater …?«
Erst nickte sie, dann schüttelte sie den Kopf. Eine genauere Antwort bekam ich nicht, nur weitere Erzählungen aus ihrem Leben. Danach musste sie immer ganz plötzlich und schnell nach Hause. Sie wollte wohl eine größere Nähe verhindern.
»Und Mathilda?«, fragte ich trotzdem bei einem nächsten Gespräch. »Wissen Sie, was aus Mathilda geworden ist?«
»Ja«, antwortete sie. »Mathilda konnte mit ihrem Vater in die USA fliehen, ihre Mutter wurde von den Nazis gefunden und abgeholt. Sie kam nie zurück, wurde wahrscheinlich in einem KZ ermordet.«
Sie holte tief Luft. »Mathilda und ich sind Freundinnen geblieben, Freundinnen ein Leben lang.
Verlässt du mich nicht, verlass ich dich auch nicht.
« Bei diesen Worten ging ein Strahlen über ihr Gesicht. »Diese Freundschaft war das Wichtigste in meinem Leben. Sie hat mich gehalten.«
Ich habe versucht, dieser Frau, die ungenannt bleiben wollte, mit meinem Text eine Stimme zu geben.
Elisabeth Zöller
im Juni 2011
Glossar
arisch Adjektiv zu
Arier
, völkerkundliche Bezeichnung für den Urstamm einer Volksgruppe, die wahrscheinlich schon in der Bronzezeit nach Europa einwanderte. Es gibt wenig wissenschaftlich gesichertes Wissen über diese Zeit. Die pseudowissenschaftliche NS -Ideologie stellte sich die Arier als patriotischen, kämpferisch und geistig überlegenen Volksstamm vor, der andere Völker unterwarf und beherrschte. Da die Abstammung der Arier (fälschlich) im germanischen und skandinavischen Raum angenommen wurde, sahen sich die sogenannten
reinrassigen
Deutschen als ihre Nachfahren. Aus der ethnischen Zugehörigkeit zur
arischen Rasse
leitete das NS -Regime seinen Herrschaftsanspruch ab. Das Erscheinungsbild eines kräftigen, blonden und blauäugigen Menschen wurde als Ideal und Beweis für Stärke und Überlegenheit der
arischen Rasse
behauptet.
BDM Abkürzung für
Bund Deutscher Mädel,
während der Zeit des Nationalsozialismus die Organisation der Reichsjugendführung für weibliche Jugendliche. Mädchen zwischen 10 und 13 Jahren gehörten zu den
Jungmädeln,
ab 14 Jahren zum BDM mit den Verbänden: Mädelschaft (10 Mädchen), Mädelschar (4 Schaften), Mädelgruppe (4 Scharen), Mädelring (4 Gruppen), Untergau (4–6 Ringe), Obergau (ca. 20 Untergaue). Ab 1936 war die Mitgliedschaft Pflicht. Zu den Treffen und zu offiziellen Anlässen trugen die Mädchen BDM -Uniform: kurzärmelige weiße Blusen, blaue Röcke, Halstücher mit Lederknoten und blaue Jacken.
Bischof von Münster Clemens August Kardinal von Galen (1878–1946) war von 1933 bis 1946 Bischof von Münster. In Predigten sprach er die Willkür der Gestapo öffentlich an und rief zum Durchhalten auf. Die absichtliche Tötung von Kranken und »unproduktiven« Menschen bezeichnete er als Mord. (Die Reichsführung führte die Tötung von Behinderten deshalb heimlich durch, weil sie bei Bekanntwerden Unruhen in der Bevölkerung befürchtete.)
Bolschewismus Von russisch:
bolschinstwo
,
die Mehrheit.
Nach der Russischen Revolution (1905–1922) übernahm die Kommunistische Partei der Sowjetunion den Begriff als Bezeichnung ihrer Politik. Im ideologischen Denken des Nationalsozialismus wurden die Begriffe
Weltjudentum
und
Bolschewismus
nahezu gleichgesetzt. Die
weltweite jüdisch-bolschewistische Bedrohung
war das Kernthema der NS -Propaganda und diente zur Rechtfertigung des Krieges gegen Russland.
Churchill, Winston (1874–1965), britischer Staatsmann. Im Zweiten Weltkrieg fällte er als Premierminister die Entscheidungen in England. Da Hitler die geplante Invasion nach England nicht gelang, war das deutsche Militär nach dem Angriff auf Russland ab 1941 zu einem Zwei-Fronten-Krieg gezwungen. Churchill war am Sieg über Hitler-Deutschland maßgeblich beteiligt.
Deutscher Gruß auch
Hitlergruß
genannt, bei dem der rechte Arm gerade nach oben gestreckt und »Heil Hitler« gesagt wurde. Im Deutschen Reich war der Deutsche Gruß Pflicht. Wer anders grüßte, war verdächtig und konnte, wenn er angezeigt wurde, mit Gefängnis bestraft
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