Vaters böser Schatten
uns nach vorn schwimmen. Ich könnte auch einen Kaffee vertragen.“
Frustriert nickte Ryan, und gemeinsam begaben sie sich zurück, wo sie sich ihren Freunden gegenüber in das flache Wasser auf den Bauch legten.
Irgendwie fiel es Leon schwer, seine Blicke von Ryan zu nehmen. Die nassen Haare und die Wassertropfen, die an ihm hinabperlten, machten ihn fast verrückt.
„Dakota, kannst du mir eine Zigarette geben?“, fragte Ryan.
Das Mädchen zündete zwei Zigaretten an, gab sie den Jungen in die nassen Hände, dann richteten sich alle Blicke auf Ryan und Leon.
Für die Freunde war es seltsam, die beiden nun so zu erleben; verliebt, küssend und selig grinsend.
Am Abend, als sie auf ihrem Bett saßen und einfach nur kuschelten, klopfte es leise.
Auf ihr synchrones „Ja?“ steckte Michelle den Kopf ins Zimmer und sah sie fragend an, ob sie hineinkommen dürfte.
Lächelnd nickten die Jungs.
Leise betrat sie das Zimmer. Sie hatte eine Flasche Wein und drei Gläser dabei und schloss die Tür. „Wie geht es euch?“, fragte sie und setzte sich ans Bettende.
„Richtig gut!“, lächelte Ryan.
„Na los, frag schon!“, grinste Leon, der erkannte, wie neugierig Mic war.
Den ganzen Tag hatte sie sich zurückgehalten, doch Einzelheiten, wie ihre erste Nacht abgelaufen war, interessierten sie schon. Doch jetzt schüttelte sie den Kopf. „Nein, es ist eure Sache. Ihr habt ja recht.“
„Das schließt dich mit ein. Wir vertrauen dir, und wir wissen, dass du es nicht weitererzählen würdest“, sagte Ryan kopfschüttelnd. „Das solltest du wissen!“
Also stellte sie die Frage, die ihr auf der Seele gebrannt hatte und die das erste Mal auf der Hinfahrt aufgekommen war. „Wer hat … unten gelegen?“
„Ich.“ Leon lächelte mit roten Wangen.
„Dachte ich mir doch.“ Michelle sah ihn liebevoll an.
Zuerst sah Leon zwischen Ryan und Michelle hin und her, dann fragte er verwirrt nach dem Warum.
Kurz überlegte sie. „Ich weiß nicht. Ich schätze, das hängt damit zusammen, dass Ryan dir gesagt hat, dass er dich liebt. Ich denke, du bist einfach schwach geworden.“
Leon ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen. „Du meinst also, dass es anders gewesen wäre, wenn wir schon früher miteinander geschlafen hätten?“
„Ja, ich denke schon. Ich weiß es nicht. Aber Ryan hätte doch alles mitgemacht, nur um dir so nahe wie möglich zu sein.“
„Da ist was dran. Aber ich muss fairerweise dazu sagen, dass Leon bis zum Schluss gekämpft hat!“
Leise lachten sie alle drei.
Jetzt, wo das Gespräch schon auf dieses Thema gekommen war, musste sie doch fragen, ob es sehr wehgetan hatte.
Wieder überlegte Leon. „Keine Ahnung. Ich denke … ich weiß nicht. Hat es wehgetan?“, fragte er Ryan.
Michelle hob die Augenbrauen. „Wie viele Runden gab es denn?“
„Nur eine. Die zweite war heute Morgen!“
„Oh, verstehe. Als ihr mit Toben fertig wart.“
„Ja, der Schweinehund hat mich durchgekitzelt“, sagte Leon lachend.
Ryan grinste frech und murmelte dann, dass Leon doch drauf stehen würde. Dann überlegte er und schüttelte den Kopf. Wehgetan hatte es nicht, auch wenn es am Anfang sehr unangenehm gewesen war, bis es nur noch der Wahnsinn gewesen sei.
„Es war, wie im Himmel. Mit jeder Bewegung etwas näher dran, ein Stück dichter in die Wolken hinauf …“
Ryan und Michelle sahen Leon fragend an und bissen sich auf die Unterlippen, sonst hätten sie ihn vermutlich ausgelacht.
„Was denn? Ist doch so!“
Die Tage am See gingen schnell vorbei. Ryan wusste nicht, wann er sich je so wohl gefühlt hatte, und der Gedanke, dass er bald wieder seinem Vater gegenüberstehen würde, ließ beinahe schlechte Laune aufkommen. Doch die wusste Leon zu verhindern, indem er Ryan jedes Mal, wenn er in Trübseligkeiten verfiel, leidenschaftlich küsste, was auch bedeutete, dass sie mehr Zeit im Bett verbrachten, als ursprünglich von beiden geplant gewesen war.
Am Morgen der Abreise starrte Ryan traurig an die Decke. Leon schlief noch, also war er mit seinen Gedanken allein. Wie lange würde er dem heimischen Druck noch standhalten können? Wie lange würde es dauern, bis er ausbrechen würde, egal, wem er damit wehtun würde? Er liebte seine Mutter, doch er hielt es kaum noch aus. War sie so blind? Was musste noch passieren, bis sie begreifen würde, dass aber auch wirklich alles an dieser Familie nicht stimmte?
„Woran denkst du?“, fragte Leon leise.
Ryan wandte ihm langsam den Kopf zu.
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