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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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Familien bei Sonntagsausflügen. Es sah so aus, als hätte jemand die Stadt, die ich kannte, hochgehoben und dreißig Meilen südwestlich von ihrer natürlichen Lage fallen lassen; dabei hatte sie sich eine etwas andere Form geben müssen, um sich ihrer neuen Umgebung anzupassen. Wo die Stadt eigentlich hätte sein sollen, war auf der Landkarte ein Dorf inmitten von Ackerland.
     
    Das Makromimikon. War es denn ein Kartenbuch, das nicht verzeichnete, was war, sondern was gewesen sein könnte, eine Welt, die eine andere Entwicklung genommen hatte, ein Dorf, das anstelle eines anderen zu einer größeren Ortschaft angewachsen war, aus der schließlich eine Stadt geworden war? Ich blätterte weiter. Selbst die Sprache, in der die Straßen und Gassen, die Städte, Ortschaften und Dörfer beschriftet waren, schienen das Ergebnis einer parallelen Entwicklung zu sein; sie bestand aus Kanten und Kurven, wies eine gewisse Ähnlichkeit mit dem römischen und dem kyrillischen Alphabet, aber auch deutliche Unterschiede auf. Im Nachhinein wundert es mich, dass ich nie auf den Gedanken gekommen bin, dieses Buch könnte lediglich erfunden sein, ein Phantasiegebilde: Vielleicht lag es an der Genauigkeit des Grundrisses der Bibliothek; vielleicht an der Überzeugungskraft der alten Familienlegenden, die sich mir so tief eingeprägt hatten. Ich wusste nur, was ich empfand: die wachsende Überzeugung, dass dieses Buch irgendwie von einer übergeordneten Wahrheit zeugte.
     
     
    Der Turmbau zu Bibel
     
    »Jack.«
    Er antwortete nicht.
    »Jack«, sagte ich noch einmal.
    »Verdammte Scheiße, Jack«, rief Joey. »Lass uns rein.«
    »Komm schon. Bitte«, sagte ich.
    Wir waren sicher schon eine halbe Stunde hier, und alles, was von der anderen Seite der Tür zu uns durchgedrungen war, war Stille. Auch ich machte mir Sorgen, aber an der Wut in Joeys Stimme, an der Art, wie er Jack beschimpfte, ihn beleidigte, ihm immer und immer wieder erklärte, wie dumm und sinnlos das alles sei, konnte ich hören, dass er entsetzliche Angst hatte. Wer ihn nicht kannte, hätte gedacht, er regte sich mehr über die ... Zeitverschwendung auf, über die Unannehmlichkeiten, die ihm da bereitet wurden, als über irgendetwas anderes. Aber ich konnte die schrillen Untertöne aus seiner Stimme heraushören und auch, wie zusammengeschnürt seine Kehle war. Joey hasste Jack zunehmend, weil er nicht mehr ertragen konnte, was dieser sich antat; es tat zu sehr weh.
    »Öffne die Scheißtür, du verdammtes Arschgesicht. Verdammt, öffne die Scheißtür, du Scheiß... Scheißkerl!«
    Und er ging wie ein Verrückter auf die Tür los, trat, knurrte, spuckte.
    Nach einer Weile, einer langen Weile, als Joey bereits verstummt war, machte es plötzlich Klick und die Tür öffnete sich.
     
    Jack setzte sich wieder auf den Boden, eine Gideon-Bibel vor sich, zusammen mit einem Ausdruck von – ich ging näher heran – von Zahlenkolonnen, Buchstaben, anderen Schriftzeichen – Doppelpunkten, Strichpunkten, Fragezeichen – mit jeweils einem Zahlenwert daneben. Das waren die ASCII-Werte für die Tasten auf einer Computertastatur, wurde mir bald klar, die Folge von Zahlen zwischen Null und 255, die in einem Rechner dazu verwendet werden, Text in der binären Form darzustellen, mit der ein Computer arbeiten kann, Sprache auf Nullen und Einsen eingedampft, auf eine Folge von elektronischen Entsprechungen: an und aus. Text wird in Form von Bytes gespeichert, jedes Byte besteht aus acht Stellen, acht binäre Platzhalter für 1en, 2en, 4en, 8en bis 128, ganz so wie Dezimalstellen 1er, 10er, 100er und so weiter repräsentieren ... 00000000 bis 11111111, Null bis 255. Jack benutzte sie zum Nachschlagen.
     
    Neben ihm türmten sich Packen mit Papier, noch eingeschlagen oder aufgerissen, die Blätter verstreut, ein Stapel auf dem anderen. Ich sah zu, wie er ein neues Blatt von dem Stapel nahm, in der Bibel blätterte, die gesuchte Stelle mit der Spitze seines Stiftes fand, das entsprechende Schriftzeichen auf dem Ausdruck der ASCII-Werte suchte und dann – auf einem frischen Blatt – ausrechnete, wie die Binärschreibweise lautete. Blatt über Blatt voll mit diesen Notizen lag hinter ihm, wohin er sie alle geworfen hatte, und ich ging in die Hocke, um eins davon aufzuheben. Für die Bibelstellen hatte er Spalten an den linken Rand gekritzelt, krakelige Zahlen – 45, 37, 56 – und sie dann in den Spalten abgehakt. 37, das war 1 plus 4 plus 32 ... 10100100 im Binärcode. Mein

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