Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
Vom Netzwerk:
Ispettore, der leicht schwankend und mit hochrotem Kopf zusammen mit zwei Kollegen das Schiff betrat und Harry triumphierend aufforderte mitzukommen.
    »Signor Oolden-burg-e, per favore. «
    Während der Commissario in seinem Boot vor dem Anleger kreuzte, wurde Harry unter den Blicken der neugierigen Touristen in das Polizeiboot bugsiert.
    »Gugge mal, mir kam där do glei goomisch vor«, rief »Muddi, die Dasche« ihm noch hinterher.
    In dem lächerlich kleinen Boot war grade mal Platz für zwei Personen. Zu viert war es unfassbar eng. Harry saß dem dicken Ispettore praktisch auf dem Schoß.
    Auf dem Weg zur Questura sah er eine Brücke nach der anderen über sich hinwegziehen. Der Commissario war vorausgefahren. Als das kleine Polizeiboot an der Questura am Rio di San Lorenzo anlegte, war Lompo längst da und wischte die Holzplanken auf dem Bug seines Bootes mit einem flauschigen Lappen trocken.
    Harry wurde über Steintreppen und Terrazzoflure in ein karges Zimmer geführt. Jetzt saß er auf einem Stuhl mit Stahlrohrbeinen und einem Sitz aus Kunststoff vor einem klobigen alten Holztisch mit einer abgestoßenen grünen Schreibunterlage. Das ganze Mobiliar hatte sicher schon bessere Zeiten gesehen. An der Wand hing eine italienische Flagge. Vom Fenster aus, das halb mit Jalousien verhängt war, konnte man wahrscheinlich auf den Kanal hinuntersehen. Als der Commissario den Raum betrat, hatte er seine Spiegelsonnenbrille abgenommen und der Kragen seines Shirts war heruntergeklappt.
    »Signor Oldenburg«, setzte er an, und er tat dabei so, als wäre die ganze Verfolgungsjagd eine sportliche Veranstaltung gewesen. »Wohin wollten Sie denn so schnell?«, fragte er auf Englisch mit italienischem Akzent. »Wir hatten noch ein paar Fragen an Sie.«
    Harry überlegte fieberhaft, wie er sein Verhalten erklären könnte. Dieser Polizist konnte ihm durchaus unangenehme Fragen stellen. Er untersuchte nicht nur einen Kunstdiebstahl, sondern auch einen Mordfall. Harry fragte, ob er rauchen dürfe, und zündete sich eine Chesterfield an. Als er den Stuhl rückte, hallte das Schrappen der Stahlbeine auf dem Terrazzo durch den ganzen Raum.
    »Wir wollten Sie noch einmal zu den Vorgängen in dem Palazzo der Fondazione Guggenheim befragen, Signor Oldenburg. Und zu Ihrem Verhältnis zu Signora Francesca Zenga.«
    Harry drehte nervös die Glut seiner Zigarette in dem nur notdürftig gesäuberten großen Aschenbecher. Der Commissario guckte ernst.
    »Man hört … Wie soll ich mich ausdrücken? … Signora Francesca ist eine attraktive Frau.«
    Dabei verzog er andeutungsweise einen Mundwinkel zu einem süffisanten Grinsen.

2
    Die Lagune lag glitzernd unter ihnen. Harry Oldenburg versuchte an dem Dicken vorbei, der laut schnarchend neben ihm saß, einen Blick aus dem Flugzeugfenster zu werfen. Er beugte sich über ihn, soweit das zwischen dem zurückgestellten Vordersitz und dem Bauch in einem eierschalenfarben glänzenden Hemd, das irgendwie nach Kunstfaser aussah, überhaupt möglich war. Der Typ war erst kurz vor dem Start an Bord gekommen. Er hatte eine voluminöse Umhängetasche und sein himmelblaues Jackett in die Gepäckablage gestopft und ohne ihn anzusehen etwas Unverständliches gegrummelt. Obwohl er gar nichts Richtiges gesagt hatte, meinte Harry einen osteuropäischen Akzent erkannt zu haben. Als die Stewardess mit dem Getränkewagen kam, hatte er das Wort »Whiskey« ausgesprochen, dass es wie »Wodka« klang. Russisch vielleicht. Noch vor dem Start verschlang der Dicke in Rekordgeschwindigkeit den Inhalt zweier Alitalia-Snacktüten und spülte mit drei angesichts seiner Leibesfülle absurd winzig wirkenden Ballantine’s-Fläschchen nach. Jetzt rutschte er schwitzend und schnarchend noch ein Stück näher zu Harry herüber.
    Im Fenster hinter dem eierschalenfarbenen Russen konnte Harry jetzt das Wasser sehen. Sie hatten die Reihe direkt über der Tragfläche. Aber an dem genieteten Metall des Flügels mit dem Schriftzug »Do not Walk Outside this Area« vorbei meinte Harry jetzt die Silhouette von Venedig erkennen zu können.
    Direkt unter ihnen zog ein Motorboot seine Spur durch das Wasser Richtung Venedig und zeichnete helle Linien in die blaue Lagune. In Harrys Erinnerung schoben sich ganz unterschiedliche Bilder übereinander: der letzte Sommer mit Zoe an der amerikanischen Ostküste in North Carolina, die erste Italienreise als Jugendlicher und nicht zuletzt Erinnerungen an seine norddeutsche Heimat, das flirrende

Weitere Kostenlose Bücher