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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krischan Koch
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durch die engen Kanalschluchten.
    Das japanische Paar hatte die Fotoapparate gezückt und die Restaurantgäste im »Antica Mola« hatten ihre Stühle zum Kanal gedreht. Die beiden Typen im Blaumann bogen mit ihrem antiken Riesenspiegel gerade Richtung Campo San Marziale ab, gleich um die Ecke, wo Harry und Zoe die letzten Tage gewohnt hatten. Harry sah sein Spiegelbild im Boot einmal durch den venezianischen Goldrahmen fahren. Und als er erneut bei Gianna Nannini vorbeikam, war das Boot des Kommissars auf einmal verschwunden.
    Den Gasgriff auf der kleinsten Stellung, sodass der Motor gerade eben am Laufen gehalten wurde, tuckerte Harry eine Weile durch Seitenkanäle. Wie durch ein Wunder hatte er Commissario Lompo abgehängt. Das war Harrys Chance. Jetzt müsste es ihm doch gelingen, aus dem Cannaregio-Viertel herauszukommen und sich wenigstens zum Canal Grande durchzuschlagen oder auch Richtung Lagune zu den Fondamenta Nuove. Wenn er nur wüsste, wo er hinmusste.
    Plötzlich glaubte er, Zoe in einer dunklen Hausunterführung verschwinden zu sehen. Er sah die Frau nur von hinten. Sie hatte Zoes Frisur, soweit er das erkennen konnte. Aber sie trug so eine schwarze Leinenjacke wie diese Francesca. Harry konnte sich darauf keinen Reim machen. Er musste sich getäuscht haben.
    Vielleicht sollte er es doch wieder zu Fuß versuchen, trotz des blöden Gipsbeins. Das Sportboot von Lompo war nicht in Sicht und auch der Ispettore war weit weg. Aber es war nicht möglich, einen freien Platz zum Anlegen zu finden. Warum sollte er das Boot nicht einfach seinem Besitzer wieder zurückbringen? Die Sprizz-Trinker wären ihm beim Anlegemanöver ganz sicher behilflich. Oder würden sie ihn gleich der Polizei übergeben? Harry hielt das für unwahrscheinlich. Und er hatte recht. Der Mann im Azzurri-Trikot war einfach nur froh, dass er sein Boot wiederbekam. Er war sogar richtig freundlich. Und mit der Polizei schien er nicht allzu viel am Hut zu haben.
    »La barca è super« , radebrechte Harry und drückte dem verduzten Typ zwei Zehntausend-Lire-Scheine in die Hand. »Per benzina. «
    »Signore fahre nicht das erste Mal Boot«, versuchte Maldini das Kompliment auf Deutsch zu erwidern. Und damit hatte er ja gar nicht mal unrecht.
     
    Im Weggehen sah er noch, wie sich der Hund mit einem beleidigten Blick im vorderen Teil des Bootes wieder zum Schlafen legte.
    Den Fußweg Richtung Rialtobrücke kannte er in- und auswendig. Einfach die Strada Nova hinunter. In dem quirligen Straßenleben mit den zahlreichen Läden und Bars, mit afrikanischen Taschenverkäufern und Touristen aus aller Welt fühlte er sich gleich sicherer.
    »Look, look, Sweety, these beeeauuuutifulmasks« , flötete eine nicht mehr ganz junge, grell geschminkte Amerikanerin, die aussah, als hätte sie schon eine Maske auf.
    »Gugge mal, alle möschlische Diere aus Glas«, kam es aus einer größeren Touristengruppe. Trotz der Hitze trugen alle Jacken, die Älteren graue Anoraks und die Jüngeren seltsam gefleckte Jeansjacken. Den Dialekt kannte Harry nur aus albernen DDR-Witzen und Katharina-Witt-Interviews. Als er Deutschland vor ein paar Jahren verlassen musste, war die Mauer noch nicht gefallen. Leibhaftige Sachsen hatte er noch nie gesehen, soweit er sich erinnern konnte.
    »Gaddsen, Hasn un gugge mal – ä Granisch«, sagte eine Frau mit Dauerwelle, die als Einzige keine Jacke, sondern ein T-Shirt mit der Aufschrift »I love Venice« trug. Statt des »Love« ein rotes Herz.
    »Scheeen«, fand eine andere.
    »Nu, subbr«, bestätigte ein kleiner Typ mit längeren Nackenlocken über der gelblich verwaschenen Jeansjacke mit Blick auf das Tierleben aus Glas.
    Der Touristenrummel, den Harry eigentlich verachtete, kam ihm jetzt äußerst gelegen. Nur sein blödes Gipsbein fiel natürlich auf. Zumal sich niemand mit einem Gehgips so hektisch bewegen würde wie Harry gerade die Calle San Felice hinunter. Tatsächlich, die Leute drehten sich um, sobald sie seinen ungewöhnlich groß geratenen Gips bemerkten. Je näher er Rialto kam, desto dichter wurde das Treiben. Kleine Japaner, die Venedig durch die Sucher ihrer Minoltas betrachteten, Deutsche, die einen über den Haufen rannten, weil sie sogar im Gehen in ihren Reiseführern lasen, und schwergewichtige Amis in Bermudas und Hawaiihemden, die kaum durch die schmalen Gassen passten und laut » Amaiiizing« riefen.
    Harry brach schon wieder der Schweiß aus, obwohl er nur Shorts und T-Shirt trug. Unter dem Gips spürte er

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